Am Anfang war das Wort
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Am Anfang war das Wort. Man nimmt an, dass es gut war. Doch keiner konnte sich das Wort leisten. Auch weil kaum einer das Wort — geschweige denn ein Wort — lesen konnte. Deswegen herrschten Privilegierte lange Zeit über das Wort und nutzten es zu ihrem Vorteil.
1820 konnten nur 12 % der Menschen auf der Welt lesen und schreiben. In Schottland lag die Rate sogar noch weit darunter. Im neunzehnten Jahrhundert entschied sich die „Kirche von Schottland“ deswegen eine Kampagne zu starten, um die Lese- und Schreibdefizite zu beheben. Mehr Leute sollten das Wort lesen können. Im Mai 1847 wurden bereits 513 Schulmeister direkt aus einem zentralen Bildungsfonds bezahlt und über 44.000 Kinder wurden in freikirchlichen Schulen unterrichtet. Das Projekt war ein großer Erfolg. Innerhalb von 100 Jahren — auch getrieben durch die schottische Aufklärung, die Reformation und die mit ihr einhergehende Medienrevolution des Gutenbergschen Buchdrucks — katapultierte sich Schottland, eines der ärmsten Länder Europas, an die Spitze der Liste von Staaten mit der höchsten Lesekompetenz. Die Menschen konnten das Wort nun endlich lesen.
Die Kirche bedachte jedoch nicht, dass die Menschen nun auch andere Worte lesen konnten. Sie lasen nicht nur die Bibel, sondern auch weltliche und kontroverse Schriften wie „Paradise Lost“ von John Milton oder die „Göttliche Komödie“ von Dante Alighieri. Unseligerweise verliebten sich die Schotten in die neuen Wörter. Mittlerweile konnten sich sogar gewöhnliche Leute neue Wörter leisten. Und wie es sich für gewöhnliche Leute gehört, lasen sie keine gewöhnlichen — im Sinne der Kirche — Wörter. Ihr Geschmack war lebhafter. „Die Geschichte von England“, niedergeschrieben vom schottischen Aufklärer David Hume war beispielsweise ein großer Bestseller. Irgendwann ließ die schottische Kirche mit viel Ungemach die Nachfrage nach weltlichen Worten gewähren. Einige Geistliche sprangen sogar auf den Zug der Nachfrage auf und es entstand in der Folge eine neue schottische Mischkultur, simultan weltlich und religiös.
Solch eine Entwicklung ist typisch für neue Großtechnologien und Basisinnovationen. Egal ob Eisenbahnen, Häfen, Postdienste, Stadtgasnetze, Telegrafen, Telefone, Stromnetze, Flughäfen, multimodale Verkehr zu Land, Luft und Wasser oder das Internet, alle folgten ähnlichen Adoptionsmustern:
- Finanzstarke oder allgemein mächtige Cluster bemühen sich um Kontrolle, Dominanz und Hoheit im Neuen.
- Aus politischen oder wirtschaftlichen Machtgründen drücken sie die Technologie in den erweiterten Markt.
- Die Technologie findet Abnehmer und damit neue Inputgeber.
- Ihr Zweck wird neu verhandelt.
- Es folgt eine revolutionäre Phase, in der Unruhen, geschürt von der Innovationskraft des breiten Marktes, die kontrollierende Dominanz von Oben erschüttern.
- Darauf treten Synergien ein und der Markt beruhigt sich wieder.
Niemand dachte beispielsweise zu Beginn der Ära des mobilen Internets daran, dass es zwanzig Jahre später einmal TikTok, mobile Marktplätze oder WeChat ausbrüten wird. Denn die ersten Anwendungen waren auf wohlhabende Early Adopter ausgerichtet. Die Apps hießen Aktienkursinformation, Wetterbericht, Nachrichten und E-Mail.
Sobald das Wort seinen Weg in die Breite gefunden hat, lässt es sich nicht mehr einfangen. Es herrscht nicht mehr für Wenige, sondern ist für Alle da und wird von Allen ausgelegt. Ähnliches gilt für fast alle Basistechnologien. Finden sie einmal ihren Weg in die Breite, lassen sie sich schwer gefangen nehmen. Sie suchen sich ihren eigenen Pfad.
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