Douglas R. Hofstadter
Viele haben Schwierigkeiten, die Realität des Klimawandels zu begreifen. Je besser wir verstehen, warum das so ist, desto einfacher wird Wandel gelingen. Ein Erklärungsversuch.
Uns hat es schon immer ausgezeichnet, dass wir Herausforderungen durch den Filter vergangener Erfahrungen und Geschichten bewerten. Die Weisheiten, die wir aus der Muttermilch gesogen oder in den Gängen unserer Kindergärten und Schulen erlernt haben, bilden die Grundlage, auf der wir stehen.
Doch dieses Fundament erweist sich gegenwärtig als brüchig. Denn die Klimakatastrophe ist ein Phantom, das sich nur schwer fassen lässt. Es nähert sich aus den Tiefen einer Zukunft, die ungewiss ist. Die Bedrohungen, die es birgt, sind von einer Art, die sich unserer unmittelbaren Wahrnehmung entzieht. Sie erstrecken sich über Zeiträume, die unsere eigene Lebensspanne übersteigen. Weswegen wir vor einem Nebel aus Unwissenheit und Mangel an direkter Erfahrung stehen.
In dieser Verzweiflung klammern wir uns an vertraute Erzählungen und Muster. Wir malen uns eine Welt aus, in der die Natur eine unerschöpfliche Resilienz besitzt und menschliches Handeln frei von globalen Folgen bleibt. Wir wiegen uns in der trügerischen Sicherheit, dass technologischer Fortschritt allein ausreicht, um uns zu retten. Getrieben werden diese Geschichten besonders von jenen, die durch das aktuelle Wirtschaftssystem überdurchschnittlich bedacht werden.
All dies führt zu einer Beharrungstendenz, welche ein tiefes Verständnis für die Dringlichkeit und das wahre Ausmaß der Klimakrise in der Breite verhindert. Die Geschichten der Vergangenheit, die technologische Errungenschaften und wirtschaftliches Wachstum glorifizierten, ohne Rücksicht auf ökologische Grenzen zu nehmen, stehen in krassem Gegensatz zu den tiefgreifenden Veränderungen, die ein neues Paradigma des regenerativen Lebens fordert.
Ein Umdenken ist daher zwingend geboten. Wir müssen die Geschichten, die wir uns erzählen, neu schreiben und unsere Bezugsrahmen aktualisieren. Es gilt, Erzählungen zu formen, die die Begrenztheit unseres Planeten und die langfristigen Folgen unseres Tuns hervorheben. Diese Geschichten müssen die Dringlichkeit von Maßnahmen unterstreichen und die Notwendigkeit eines kollektiven Wandels in unseren Lebens- und Wirtschaftsweisen betonen. Nur so werden wir in der Lage sein, unbekanntes Territorium zu navigieren.
Zudem müssen wir hinterfragen, wer uns die Geschichten über die Zukunft erzählt und welchen Interessen diese dienen. Wir müssen erkennen, dass viele Erzählungen Instrumente in den Händen derer sind, die Wandel aus Eigeninteresse blockieren. Diese Geschichten, wohlvertraut und trügerisch beruhigend, sind oft darauf ausgerichtet, bestehende Machtstrukturen zu erhalten und nur dem Wohl einiger weniger zu dienen.
Es ist daher unsere Pflicht, die Augen zu öffnen — für jene, die unwissentlich in alten Denkmustern gefangen sind, und gegen jene, die aus Berechnung die Zukunft aller gefährden.
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