January 1, 2021

WeWork über Alles

Masa’s handwriting on a chart of WeWork projecting a cool $101 B in revenue in 2023. Masa extends the hockey stick chart to 2028. Total planned valuation: “$10T”Masa’s handwriting on a chart of WeWork projecting a cool $101 B in revenue in 2023. Masa extends the hockey stick chart to 2028. Total planned valuation: “$10T”

Vor zwei Jahren erlebte die Digitalwirtschaft ihre spektakulärste, aber auch blasierteste Phase. Gelernt haben wir aus dem WeWork Desaster nichts. Teil 1 von 4.

2019 sollte das Jahr von Adam Neumann werden. Er wollte den Grundstein für einen Unternehmenswert von 10 Billionen US-Dollar im Jahr 2028 legen, was ihn zum ersten Billionär der Welt machen sollte. Damit könnte er endlich damit beginnen, WeWork auf den Mars zu bringen und ewig zu leben. So sein Plan.

Er war auf dem besten Weg, mehr als das zu erreichen. Im Frühjahr sammelte WeWork mit der Hilfe von Masayoshi Son von SoftBank Group Corp. 6 Mrd. US-Dollar ein. Nicht ohne Grund: Immerhin bewirtschaftete WeWork 400 Standorte in 27 Länder und gab zur Steigerung des Umsatzwachstums für jeden Dollar zwei aus.

Doch Neumann war der geborene Big Money Fundraiser. Bodenlose Kassen gehörten zum Geschäft. Er war überzeugt, dass er mit seinem technologiebasierten, physischen sozialen We Netzwerk” die Welt verändern würde. Das Verrückte: Alle glaubten ihm. Niemand kümmerte sich darum, dass das Geschäftsmodell eher klassischen Immobilienmodellen entsprach und dass die Verluste schneller wuchsen als die Einnahmen. Sein Feenstaub lullte ein. Risikokapitalgeber und Investmentbanker berauschten sich an der globalen Expansion und wetteten darauf, dass immer mehr Geld reinkommen würde, um ihr eigenes Risiko abzuladen. Euphorie siegte über Skepsis. Kasinokapitalismus in Perfektion.

Dann geschah jedoch etwas im The We Company Universum. Die Mana Quelle versiegte und der SoftBank Money Train geriet ins Stocken. Also traf man die Entscheidung an die Börse zu gehen.

Als man aber die S-1-Papiere einreichte, zerbrach Neumanns Manipulationszauber. Die Medien stürzten sich auf die hohen Verluste, und die Analysten äußerten Zweifel an der künftigen Rentabilität.

Aus Angst vor einer niedrigen Bewertung verschob man den Börsengang auf das Ende des Jahres. Zudem wurde Neumann als Belastung eingestuft. Auch, weil er einen Firmenjet anschaffte und persönlich Anteile für 700 Mio. US-Dollar liquidierte. Rechtlich in Ordnung, aber moralisch kein Ruhmesblatt. Auf dringenden Rat des Beirates trat Neumann Ende September zurück.

Stoppen konnte das den Niedergang jedoch nicht. Im Frühjahr war WeWork noch 47 Mrd. US-Dollar wert. Goldman Sachs erwartete sogar eine Börsenbewertung zw. 61 und 96 Mrd. US-Dollar. Ende September waren es allerdings nur noch lappige 10 Mrd. US-Dollar.

Die Blase platzte. Ein Jahrzehnt lang regierte Neumann nach Belieben. Er hatte geschickt mit der Realitätswahrnehmung der Welt gespielt und damit seinen Wert in die Höhe getrieben. Es spielte keine Rolle, dass er einen exzentrischen Lebensstil führte oder dass WeWork kein Geld verdiente. Neumann überzeugte uns Alle, dass WeWork einen Wert hatte. Die mickrige Bewertung Ende September setzte dem aber ein harsches Ende.

Die Implosion von The We Company 2019 hatte Auswirkungen weit über die Büros von WeWork hinaus

WeWorks Implosion zeigte Wirkung. Die Tage großer Verheißungen von Umsatzwachstum waren vorbei. Plötzlich war Profitabilität der Szene wieder wichtig. Und selbst die Medien, die zuvor nur mit den #Startups kuschelten, beäugten schnell wachsende weltverändernde” B2C-Marken mit mehr Skepsis.

Während früher Uber (Ridehailing, 28 Mrd. USD Risikokapital Ende 2019), sweetgreen (Salate, 515M USD), Compass (Immobilien, 1,61 Mrd. USD), WAG (Gassi-App, 361M USD) oder Casper (Matratzen, 355M USD) dafür gefeiert wurden, dass sie Risikokapital direkt in Umsatzwachstum wandelten und Kunden mit Waren unter dem Selbstkostenpreis erfreuten, so galt diese Umverteilung 2020 als naiv. Kundenzentrierte Bequemlichkeit schien auch nicht mehr der Weisheit letzter Schluss zu sein.

Alles erinnerte an die DotCom Zeit, in der Pure Play Internet Startups wie eToys, Webvan oder pets dot com kometenhaft aufstiegen und genauso schnell fielen. Get big fast (via marketing)” lautete die Devise. pets dot com versuchte zB durch Super Bowl Werbung und einen eigenen Balloon auf der Macy Thanksgiving Parade auf sich aufmerksam zu machen. Das Ende ist bekannt. Das Geschäftsmodell war nicht tragfähig. In den ersten neun Monaten des Jahres 2000 verlor man 147M USD. Niemand wollte mehr investieren. Auch ein Börsengang half nicht. Im November liquidierte man das Unternehmen.

Wie wir alle wissen, reimt sich die Geschichte. Der WeWork Bust führte dazu, dass den Einzelhandel disruptierende Ride-Hailing Anbieter, Last-Mile Scooter-Unternehmen und technologiegetriebene Matratzen-Startups ihre Ambitionen massiv zurückdrehen mussten. Sie waren nur noch ihr Produkt und keine weltverändernde Technologieplattform mehr. Der Einhornzauber war verflogen (hust… #QuickCommerce).

ZumeZume

Und so begann eine Zeit der Reinigung, die besonders für SoftBank Group Corp. einer bitteren Pille gleichkam. Man wollte Plattformstartups groß machen, um Monopolrenten zu erzielen. Doch WeWorks Fall zog viele im Portfolio mit runter. Mein Liebling darunter: Zume Inc., die mit ihrer Robot-made Pizza Delivery Operations die Welt verändern wollten. Fast eine halbe Milliarde US-Dollar hatte das Unternehmen eingesammelt. Für Robo-Pizza Auslieferungen! Hätten sie es nur bis zur Pandemiezeit geschafft, würden sie sicher noch heute Pizza ausliefern. Viele weitere SoftBank Startups mussten große Teile der Belegschaft entlassen. In Zahlen ausgedrückt: Der Vision Fund erlebte einen Verlust von 18 Mrd. USD!

Zurück auf Start

2020 war kein gutes Jahr für Masayoshi Son. Der SoftBank Vision Fund verzeichnete einen Verlust von 18 Mrd. US-Dollar und Masa stolperte mit seiner Einhornherde geradewegs in das was er später Valley of Coronavirus” nennen sollte.

Doch wenn es um Geld geht, wird selten zurückhaltend gespielt. 2020 geschah etwas, das Wirtschaftshistoriker noch lange Zeit beschäftigen wird. Trotz #ValleyofCoronavirus, unzähliger Pleiten und schmerzhaften Erinnerungen an geldverbrennende Startups feierte die Börse Unternehmer:innen und ihre großspurigen Versprechen. Als hätte es WeWork nie gegeben 🤷

Elon Musk und Tesla sind sicherlich das beste Beispiel für eine narrativ getriebene Aktienwertsteigerung in dieser Zeit. Aber auch Trevor Milton und Nikola (Elektro-LKWs) passen ins Bild. Nikola war beim Börsengang im Juni 2020 keine sechs Jahre alt. Und obwohl Nikola noch keine E-Lastwagen produzierte, begeisterte Milton, Gründer und CEO, mit seinen sprudelnden Visionen die Anleger. Getrieben vom E-Mobility-Fieber stürzte sich die Wall Street inklusive blutiger Robinhood-Aktienanfänger in den E-Fahrzeug IPO Wahnsinn. Und Milton? Der liquidierte fast 100 Millionen US-Dollar an Anteilen, kaufte einen Privatjet, ein Jetski Unternehmen und andere teure Dinge. Adam Neumann reloaded. Auch weil Shortseller Milton vorwarfen, falsche Behauptungen aufgestellt und Prototyp-Videos gefälscht zu haben. Milton räumte infolgedessen seinen Posten und steht heute u.a. deswegen vor Gericht.

Growth, growth, growthGrowth, growth, growth

Im Jahr 2020 jedenfalls waren Startups an der Börse begehrt. Der WeWork Winter schien vergessen. Neben dem SPAC-getriebenen (dazu später mehr) Electric Vehicle Wahn, legten DoorDash (56 Mrd. US-Dollar) und Airbnb (90 Mrd. US Dollar) fulminante Börsengänge aufs Parkett und erfreuten sich außerordentlicher Bewertungen. Airbnbs schwang sich mit der Bewertung zu einem wertvollerem Unternehmen auf, als Hilton, Marriott und Hyatt zusammen. Und der Börsengang von DoorDash wurde zu einem Glücksfall für SoftBank. Deren Beteiligung war beim Börsengang etwa 10 Milliarden Dollar wert.

Damit hatte sich das Blatt gewendet. Risikokapitalgeber agierten nun konservativer als die Aktienmärkte, wo große Visionen und Versprechungen die Anleger berauschten.

Endlich kauften die Aktienmärkte, was das Valley seit den Nullerjahren verkaufen wollte: Große Ambitionen und wachstumorientierte Unternehmen.

Einhörner an der Börse

Spulen wir 40 Jahre zurück: Vor den Nullerjahren gingen Unternehmen häufig nur mit Gewinnen an die Börse. Nicht die schlechteste Regel. Schließlich sind Gewinne ein Indikator für wirtschaftliches & technologisches Wachstum. Sie zeigen, dass Unternehmen mehr Wert schaffen, als sie zum Überleben brauchen.

20 weiter: Als die Internetunternehmen, die heute unsere Wirtschaft dominieren, an die Börse gingen, waren sie nicht alle profitabel. Doch sie wurden es relativ schnell. Google brauchte fünf Jahre, Facebook sechs, Amazon ganze zehn, Apple vier und Microsoft nur ein Jahr. Weitaus länger dauerte es, bis sie in die Liste der Top 100 nach Marktkapitalisierung aufgenommen wurden — eine kleine Erinnerung daran, dass Apple und Amazon zwar immer viel richtig gemacht haben, der Aktienmarkt dies aber erst nach 28 bzw. 16 Jahren belohnte.

Die Vorhersagekraft der Simpsons ist legendärDie Vorhersagekraft der Simpsons ist legendär

Zurück ins Hier und Jetzt: Ein Blick auf die Zahlen gegenwärtiger #Internetstars aka #Unicorns zeigt, dass sie nicht ansatzweise mit dieser Leistung mithalten können. Jay Ritter, Professor an der University of Florida, hat sich die Tech-Börsengänge in 2020 genauer angeschaut. Seine nüchterne Erkenntnis: Nur 16% erzielten zur Zeit des IPOs Gewinne. Der Technologie- & Wirtschaftshistoriker Jeffrey Funk hat sich Einhornprofite & -verluste zur Brust genommen::

51 von 76 börsennotierten Einhörnern verzeichnen mehr als 500 Mio. USD an kumulativen Verlusten, davon 27 mehr als 1 Mrd. USD und 17 mehr als 1,5 Mrd. USD.

Die Verluste von Airbnb summieren sich auf 7 Mrd. USD, die von WeWork auf 10 Mrd. USD. Grabs Schulden, immerhin das größte Startup in Südostasien und SoftBank Liebling, belaufen sich Ende Q2/21 auf 11,5 Mrd. USD (ein #SPAC steht in den Startlöchern).

Branchenprimus ist Uber mit 23 Mrd. USD an kumulativen Verlusten. Da helfen selbst aktuelle bereinigten EBITDA Gewinnzahlen nichts, die ein ausgeglichenes Ergebnis und operativen Gewinn fürs Quartal ausweisen. Die Zahlen sind genauso kreativ gebogen wie WeWorks Community-bereinigtes EBITDA.

Insgesamt belaufen sich die Verluste der Börsen-Einhörner auf über 100 Mrd. USD. Über die Höhe der Verluste privater Einhörner (CBInsights zählt 800+, pro Tag entstehen 2 Einhörner, der Einhorn Status wird für #growthcapital zum neuen IPO im #Risikokapitalismus) lässt sich zwar nur spekulieren. Aber geht davon aus, dass es mehr als 100 Milliarden USD sind.

Wollen wir das alles, wenn wir mehr Einhörner fordern? Vergesst nicht, dass eine solide funktionierende Fiktion niemals ein solide funktionierendes Unternehmen ersetzen kann.

2021 ist nicht alles gold, was glänzt

Jeffrey Funk konnte mit seiner Analyse auch zeigen, dass die Hälfte aller börsennotierten Unicorns Verluste von mehr als 20% des Umsatzes aufweist. Ein Viertel 40% plus und Airbnb sogar über 100%. Das sollte Auswirkungen haben, mag man meinen? Nun, Snap Inc. wird mit 113 Mrd. USD, Airbnb mit 100 Mrd. USD, Uber mit 75 Mrd. USD und Palantir Technologies mit 51 Mrd. USD bewertet. Und das, obwohl alle auf dem Weg sind, ihre bestehenden Verluste um mind. 1 Mrd. USD zu erhöhen.

Wenn selbst Elon Musk den Hype hinterfragtWenn selbst Elon Musk den Hype hinterfragt

Zudem sind es nicht nur die Großen: Die Gebrauchtwagenplattform Carvana ist an der Börse mehr wert als Volvo Group, Honda oder Ferrari. Beyond Meat, hergestellt aus Erbsenprotein, ist mehr wert als der Weltmarkt für Erbsen. Coinbase steht über der Nasdaq. Und wenn man jetzt noch an Meme-Aktien (GameStop, Virgin Galactic, AMC Entertainment Inc.) denkt, liegt der Schluss nahe, dass die Börse freidreht.

Selbst mittelmäßige Einhörner reiten plötzlich über den Regenbogen zu den Sternen (außer Quibi #RIP). Denn mit SPACs wurde ein Finanzvehikel aus der Mottenkiste geholt, mit dem Startups unbürokratisch an die Börse kommen. Der EV-IPO Wahn 2020 war für SPACs die Nagelprobe, seitdem geht es vorwärts: 2020 sammelten US-based SPACs 80 Mrd. USD ein. 2021 YTD sind es schon 130 Mrd. USD, in Europa sind es stolze 5,5 Mrd. EUR.

Ein Vorteil von SPACs: Sie ermöglichen phantasievolle Equity Stories. Die Vermarktung von Geschäftsmodellen und Zukunftspotenzialen gehört zur SPAC-Balz. Und schwuppdiwupp befinden sich durch die Zugabe von Elfenstaub plötzlich umsatzlose (!) Unternehmen an der Börse. Das Spiel lohnt sich natürlich auch für Investoren. Sie erhalten über SPACs die Möglichkeit, sich an angesagten Firmen zu beteiligen, bevor diese an die Börse gehen. Ein Vorteil, der normalerweise nur den 1% vorbehalten ist, weswegen SPACs auch als The poor man’s Private Equity Funds” gelten. Gefragt ist, was angesagt ist: EV, Cannabis, Space, E-Gaming und so weiter. Sogar Donald Trump hat einen SPAC. Hype trumpft Substanz.

Dank SPACs planen die vergangen Stars und Sternchen der Szene einen Neuanfang. So auch WeWork. Nach einer Achterbahnfahrt von zehn Jahren ging WeWork im Oktober 2021 endlich an die Börse. Adam Neumann feierte dies mit einer alkoholgeschwängerten Party im Standard Hotel. Angeblich eine Party, die an guten alten WeWork Zeiten erinnerte.

Plante man 2019 noch mit 96 Mrd. USD, fiel der eigentliche SPAC Börsengang nüchtern aus. WeWork ging eine 9 Milliarden Dollar schwere Fusion mit dem Blankoscheck-Unternehmen BowX Acquisition Corp. ein. Das Unternehmen wird wird übrigens von Shaquille O’Neal beraten. Ein ganz normaler Deal also im Jahr 2021. Aber auch die Risikokapitalbranche hat sich vom 2019er WeWork Shock erholt. In Q1/21 wurde bereits weltweit #Risikokapital bereitgestellt, das 70% des Vorjahres entsprach. Mit dem Resultat, dass in Q2/21 mehr Einhörner gegründet worden sind, als im Vorjahr. Es geht voran.

Und wer partizipiert davon? Klar, SoftBank Group Corp. Dank Blockbuster-IPOs & einem bulligen Tech-Aktienmarkt reitet Masa Son mit seinen Einhörnern in die Profitabilität. Selbst KATERRAs milliardenschwerer Untergang scheint für Softbank verschmerzbar. Solange Anleger bereit sind, verlustreiche Unternehmen in der Hoffnung auf zukünftige Erträge zu finanzieren, geht das Modell von Mas Son auf.

Und auch Adam Neumann ging als reicher Mann. Sein Vermögen beläuft sich auf etwas mehr als 2 Milliarden USD. Allein das zeigt auf, wie kaputt das System ist.


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