June 2, 2020
In den vergangenen Jahren haben Forscher entdeckt, dass sich unter jedem Wald ein komplexes unterirdisches Netzwerk aus Wurzeln, Pilzen und Bakterien befindet, das Bäume und Pflanzen miteinander verbindet. Knapp 60 Prozent aller Bäume auf der Welt stehen über eine solche symbiotische Pilz-Baum-Verbindung mit ihren Nachbarn in Kontakt. Dieses soziale Netzwerk des Waldes ist ein Vorbild für moderne, datengetriebene Wertschöpfungsökosysteme. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass die gemeinschaftliche Wertschöpfung größer ist als die Summe der Einzelteile.
Doch was haben Wälder und Ökosysteme mit der digitalen Wirtschaft und der Logistik zu tun? Der Aufstieg amerikanischer und chinesischer Plattformen ist eng verwoben mit der massiven Verarbeitung und Verwendung von Daten und Netzwerken. Google, Apple, Facebook, Alibaba und Tencent konnten in ihren großen Heimatmärkten innerhalb kürzester Zeit genügend Netzwerkeffekte erzielen, um schnell zu skalieren. Je mehr Daten zur Verfügung stehen, um so besser können Services, Produkte und Preise an die Bedürfnisse des Marktes angepasst werden. Es gibt nur noch wenige Branchen und Unternehmen, die keine Schnittstelle zu den Ökosystemen der großen Plattformunternehmen haben.
Ökosysteme decken die Bedürfnisse ihrer Nutzer über ein Netzwerk verschiedener und sich ergänzender Anbieter umfassend ab, und Plattformen organisieren dieses System. Sie halten die Eintrittsbarrieren für potenzielle neue Teilnehmer niedrig, schaffen aber gleichzeitig hohe Austrittsbarrieren, weil Abhängigkeiten über die Kernprodukte und Dienstleistungen hinaus entstehen.
Nun ist es nicht so, dass europäische Staaten sich dieser Tatsache nicht bewusst sind. Mit dem Digitalen Binnenmarkt, der EU-Datenstrategie oder dem europäischen Konzept zur künstlichen Intelligenz soll verhindert werden, dass sich im B2B-Bereich wiederholt, was in B2C-Branchen bereits Realität ist. Auch national tut sich einiges. Die bekannteste Initiative dürfte wohl Gaia-X sein, eine Alternative zu den Cloud-Lösungen von Amazon, Google und Microsoft. Auch die Industrie ist nicht untätig. Volkswagen entwickelt zum Beispiel gemeinsam mit Amazon die „Industrial Cloud”, eine Industrie-4.0- Plattform für digitale Produktion und Logistik, mit der der Autobauer künftig Daten aller Maschinen, Anlagen und Systeme aus sämtlichen Fabriken bündeln und vernetzen möchte. Mit Microsoft und anderen Partnern arbeitet das Unternehmen an der „Automotive Cloud”, einer Plattform für das vernetzte Fahrzeug. Sie vereint eine „Device-Plattform“, welche alle Fahrzeuge vernetzen und verbinden soll, sowie
eine „Service- Plattform“, die sich an Endkunden richtet und über Schnittstellen den gesicherten Zugriff auf die Fahrzeugdaten ermöglicht. BMW fokussiert gemeinsam mit Microsoft mit der „Open Manufacturing Platform“ die digitale Transformation der Fertigung. Die IoT-Plattform vernetzt Roboter, Anlagen und autonome Transportsysteme und konnte in diesem Frühjahr mit Anheuser-Busch InBev, Bosch und ZF Friedrichshafen weitere Partner gewinnen. Und aus dem Mit- telstand kommt die „German Edge Cloud”, eine Cloud-Lösung für echtzeitfähige industrielle Anwendungsfälle, die Produktionsdaten erhebt, verarbeitet und in neue Services übersetzt.
Beispiele aus der Logistik
Neben diesen Industrieplattformen gibt es Supply-Chain-Management- und Logistikplattformen, die ihren Beitrag zu effizienten Liefer- und Logistikprozessen leisten. Hervorzuheben sind hier zum Beispiel Airsupply und Railsupply von Supplyon. Sie unterstützen Hersteller und Zulieferer entlang der gesamten Lieferkette. Oder die Plattform Discovery von VW, die 8.500 Lieferanten und Logistikdienstleister organisiert. Oder Transporeon, das ein großes Netz von Verladern und Logistikpartnern durch eine Reihe von Software-as-a-Service- Lösungen verbindet. Daten als Rohmaterial und Netzwerke sowie Schnittstellen als verbindende Elemente stehen dabei jeweils im Mittelpunkt.
Immer mehr Unternehmen öffnen sich gegenüber Datendrehschreiben, die Daten neutral vermitteln, um die Datensouveränität zu gewährleisten. Dies ist ein erster Schritt, aber leider auch nicht mehr. Denn die wenigsten ändern ihre Strategien. Das wäre aber nötig, denn datengetriebene Ökosysteme verändern die Regeln des Wettbewerbs. Es geht nicht mehr zwingend darum, sich Patente, kritische Assets oder eine starke Marke zu sichern. Es geht auch nicht mehr nur um Marktpositionierung oder Ressourcendominanz. Die meisten Plattformen produzieren nicht. Sie existieren, um andere miteinander zu verbinden. Sie schaffen einen Mehrwert, indem sie Beziehungen und Netzwerke pflegen. Je mehr Personen, Waren oder Daten über Plattformen in Transaktionen verwickelt sind, desto besser. Plattformen wollen die Mitglieder in ihren Öksoystemen dazu bringen, nach den von ihnen aufgestellten Regeln zu interagieren. Verdient wird dann über die Zugangskontrolle. Gerade im B2B-Segment stehen die Chancen für
Plattformen von europäischen und deutschen Unternehmen dabei nicht schlecht. Bei Industriegütern, aber auch in der Abwicklung zwischen Partnern und in den Bereichen, wo langjähriges Vertrauen notwendig ist, können Digitalunternehmen nicht punkten. Ihnen fehlt noch die nötige Expertise.
Auch in der Logistik sind die Voraussetzungen für gemeinsame Plattformen blendend. Doch viel zu oft verfolgen die Akteure ihren eigenen Kurs, obwohl alle dieselben Probleme haben. Grund ist vor allem die Angst, sich selbst abzuschaffen.
Was wir von den Bäumen lernen können ist, dass wir gemeinsam mehr erreichen können. Wälder sind oft nur lokal erfolgreich. Die Bildung des Wood Wide Webs ist kontextabhängig und kann durch Faktoren wie Bodenfruchtbarkeit, Ressourcenverfügbarkeit, Störungen und saisonale Schwankungen beeinflusst werden. Obwohl Mammutbäume auch in Europa gedeihen, erreichen sie bei weitem nicht die Masse und Klasse der amerikanischen Exemplare. Wenn Unternehmen innerhalb von Branchen über ihren Schatten springen und beginnen würden, Daten zu tauschen, könnten sie immense Effizienzen erzielen.
Gemeinsam stark
Ein mögliches Modell hierfür sind Plattformgenossenschaften, die eine Datenplattform finanzieren, auf der sich dann digitale Ökosysteme entwickeln können. Die Aufgaben der Plattform wären, die Daten anzubinden, Analyse-Services bereizustellen und eine Geschäftsebene zu schaffen, auf der komplementäre Technologien, Produkte oder Dienstleistungen entwickelt werden können. Ein Wandel in diese Richtung ist zwingend notwendig. Denn in der Internetökonomie geraten die traditionellen Ansätze schnell an ihre Grenzen. Dies bedeutet auch: Wenn Unternehmen sich innerhalb ihrer Branchen nicht vernetzen und eigene Plattformen bauen, drohen sie zu Rohdatenlieferanten zu werden. Bearbeitung, Analyse und Veredelung werden dann von global agierenden US-amerikanischen und asiatischen Plattformen übernommen. Die Folge: Die Wertschöpfung wandert ab. Allzu viel Zeit bleibt nicht mehr.
Dieser Artikel ist zuerst im Rahmen einer Serie rund um Digitalisierungsdynamiken und deren Auswirkungen auf die Logistik in der DVZ erschienen und dann auf dem Blog von Axel Springer hy.
Axel Springer hy
DVZ
June 2, 2020
Robuste Ökosysteme als Ort der Innovation
Das Coupa Cafe gehört zu Palo Alto wie die Stanford University. Egal ob Techie, Risikokapitalgeber, Hippie oder Superstars des Silicon Valley, viele Leute holen sich in der Ramona Street ihren Kaffee oder verabreden sich dort zu einem Meeting. Durchmischt wird das bunte Treiben von Besuchern aus aller Welt. Jeden Tag aufs Neue. Es ist ein Ort voller Ideen, Perspektiven und Disziplinen die dort kollidieren und interagieren. Das Coupa ist ein Knotenpunkt im Netzwerk des Silicon Valley. Hier werden Dinge herausgefordert und starke Meinungen schwach gehalten. Entwickelt sich aus einer Diskussion eine bessere Opportunität, wird die alte fallen gelassen. Es gibt nur eine Richtung: Nach vorne.
Das Coupa ist so eng mit der Kultur des Valley verflochten, dass es ein Mikro-Abbild des gesamten Ökosystems darstellt. Es eine vielbefahrene Kreuzung voller verschiedener risikofreudiger Sichtweisen, Erfahrungen und Wünschen. Die Wahrscheinlichkeit, dass hier neue und weltverändernde Konzepte entwickelt werden, ist ein paar Prozent höher, als im Café an der Hauptstrasse in einem Dorf im Vordertaunus.
Das Coupa ist wahrlich nur ein Beispiel von Vielen. Das antike Athen hatte seine Agoren, im Florenz der Renaissance traf man sich in von Fürsten gesponserten Werkstätten, in Wien von Freud, Klimt, Mahler und Zweig waren es die Kaffeehäuser und im goldenen Zeitalter des Silicon Valleys waren es die Computerclubs in den Garagen oder Institute wie das Bell Lab.
All diese Orte teilen spezifische Charakteristika: In ihnen lag immer eine gewisse Reibung und Spannung in der Luft, was möglicherweise an den verschiedenen Kulturen lag, die hier in Kontakt miteinander kamen. Zudem gab es immer Leute oder Institutionen, die den Austausch bewusst förderten und die Dichte an Perspektiven und Ideen hoch hielten. Und zu guter Letzt teilen alle Orte eine gewisse Arroganz, die aber oft gutmütig gewesen ist und nur die Unzufriedenheit mit dem Status Quo abbildete.
Die Geschichte vom genialen und rauflustigen Erfinder, der sich unentwegt für seine Ideen einsetzt, mahlende und zermarternde Bürokratien bekämpft und bedeutende Veränderungen einleitet, ist ein Mythos. Innovation ist ein dynamischer Prozess der Entdeckung, der Entwicklung und der Transformation von Ideen und Erfindungen. Innovation passiert eher im Coupa, als hinter verschlossener Tür. Erst durch kreative Kollisionen, Kollaborationen und das gemeinsame Streben, eine Invention oder Erfindung nachhaltig zu etablieren, wird der Weg zu einer Innovation geebnet. Innovation ist mehr Jazzkonzert als durchgeplantes Event.
Innovation passiert nicht im Vakuum
Orte wie das Coupa zeigen, dass Ideen gehört werden wollen. Sie müssen in den Dialog treten. Bisweilen müssen sie aber auch recycelt, zusammengeführt oder synthetisiert werden. So können sich lose Verbindungen zwischen Ideen, Konzepten oder Initiativen bilden, die hoffentlich einen neuen Kontext etablieren, der den Grundstein für eine Innovation legt.
Ja, solche Ökosysteme sind nicht fehlerfrei. Doch sie zeigen, dass es okay ist, wenn Fehler passieren. Fehler gehören zu robusten Ökosystemen dazu. Durch sie steigt die Adaptivität und Robustheit. Scheitern und Misserfolge sind daher ein fester Bestandteil von Innovationen. Thomas Edison hielt über 1.000 Patente. Der Großteil war für die Mülltonne. Dennoch feiern wir ihn für seine Erfolge. Er war der Überzeugung, dass Fortschritt an Misserfolgen gemessen wird und richtete dementsprechend sein Innovationsökosystem names Menlo Park aus. Mit jeder Niederlage von Menlo Park schloss Edison eine Möglichkeit aus und ermöglichte dadurch die Annäherung an die finale Lösung.
Natürlich feiern wir Thomas Edison als unternehmerisches Genie. Er hat mehrere Wirtschaftszweige ausgerichtet und ganze Gesellschaften nachhaltig beeinflusst. Doch seine Brillanz beschreibt nur einen Teil der Geschichte. Er stand auf den Schultern von Riesen. Ihm halfen zudem unzählige andere Personen, von Fabrikarchitekten, Managern und Buchhaltern bis hin zu Wissenschaftlern und normalen Arbeitern, die maßgeblich mit am Erfolg beteiligt waren.
Sicherlich war auch Edison an der Entwicklung der jeweiligen Technologien beteiligt. Doch er war keine Hyperspezialist, eher Orchestrator von Konzepten, Ideen und Entwicklungen. Er hat Ideen kondensiert, synthetisiert, harmonisiert und ihnen eine Richtung gegeben. Edison spürte, dass Innovationen mit der Zeit reifen, wenn man ihnen genügend Energie und Pflege zukommen lässt. Und ein wichtiger Bestandteil von Pflege ist Interaktion. Wechselwirkungen bringen uns und Innovationen voran.
Edison hat erkannt, dass es Strukturen braucht, die Ideen und Innovationen ein gemeinsames Ziel geben und sie dadurch ausrichten. In der Verständigung über das Ziel entsteht ein Denkgebilde, dessen Autorschaft keiner Person, sondern nur jenem Kollektiv gehört. Die größten Ideenlabore unserer Zeit sowie die größten und kreativsten Orte der Geschichte der Menschheit hatten und haben das verstanden.
Man muss offen und zugänglich für neue Ideen sein und sich Zeit nehmen. Entscheidend ist die hohe Konzentration an verschiedenen Sichtweisen und die losen Verbindungen zwischen ihnen. Die wichtigsten Ideen entstehen nicht in einsamer Eremitenarbeit, sondern in den Kaffeepausen, wenn man zwanglos über seine Arbeit diskutiert. Stichwort Serendipität.
Wir müssen die Art und Weise ändern, wie wir über Innovation nachdenken
Steve Jobs soll einmal gesagt haben, dass die Vorstellung, wie man ein Unternehmen aufbaut, faszinierend sei. Er „habe entdeckt, dass die beste Innovation manchmal das Unternehmen ist, die Art und Weise, wie man sich organisiert”.
Wir müssen akzeptieren, dass Innovation nicht das Produkt einzelner genialer Personen ist, sondern das Ergebnis eines ausgerichteten Kollektivs und Prozesses, welches ein gemeinsames Bewusstsein teilt, das Wissensgerüst und Zugehörigkeit zugleich darstellt.
Edison und Jobs haben einen Lebensraum für Innovationen geschaffen. Sie haben Ökosysteme ins Leben gerufen, auf der dritte Personen und Unternehmen komplementäre und äquivalente Produkte, Services oder Technologien entwickeln konnten. Sie schufen Plattformen, die die Grundlage für weitere Plattformen bildeten, die ihrerseits ebenfalls zahllose neue Innovationen hervorbrachten.
Unternehmen sollten Innovationen eine Plattform zum Austausch geben. Sie sollten eine Dichte von Gleichgesinnten schaffen, in der Innovation prosperieren können. Um diesen Prozess zu unterstützen, haben wir den Ecosystem Manager entwickelt. Er hilft, Informationen über das Ökosystem an einer zentralen Stelle zu organisieren und diese den eigenen Mitarbeitern zur Verfügung zu stellen. Der Ecosystem Manager ermöglicht die Organisation von Ideen und Initiativen sowie von Stakeholdern und Partnerschaften.
Interaktion und Wechselwirkung stärken Innovationen. Mit dem Ecosystem Manager unterstützen wir die Gärtner von Ökosystemen bei der Orchestrierung von Konzepten, Ideen und Entwicklungen rund um das Unternehmen. Es ist ein Werkzeug zur Förderung von Austausch und hilft dabei die Dichte an Perspektiven und Ideen im Unternehmen hoch zu halten.
Je besser Unternehmen ihre Ökosysteme kennen, strukturieren und orchestrieren, desto robuster und effizienter das Unternehmen und desto besser die Aussichten auf Erfolg in unsicheren und volatilen Märkten.
Der Artikel ist zuerst auf dem Blog von Axel Springer hyerschienen. Teil 1 hier.
Innovation
Ökosysteme
Plattformen
Axel Springer hy
Ecosystem Manager
June 2, 2020
Ökosysteme verändern die Regeln des Wettbewerbs
Ökosysteme sind ein heißes Thema. Dabei sind sie keine neues Konzept. Seit fast 20 Jahren existiert der Begriff „Ökosystem“ in der Wirtschaft. Und seit mehr als 50 Jahren orchestrieren Unternehmen wie Volkswagen, Lufthansa oder Bayer komplizierte Netzwerke von Zulieferern und Händlern, die Ökosystemen sehr ähneln.
Geändert hat sich, dass der Großteil der heute am schnellsten wachsenden Unternehmen — von Amazon und Google bis Alibaba und Tencent, über Uber und Airbnb — sich explizit als Ökosystem-Akteure positionieren. Sie verstehen sich als Knotenpunkte innerhalb eines Netzwerkes von Kunden, Lieferanten und Produzenten. Geschaffen haben sie dafür Plattformen, auf denen Ökosysteme prosperieren können. Die Plattformen orchestrieren die Wertschöpfung und ermöglichen es Anbietern sich dort nicht nur zu vernetzen sondern auch komplementäre Services anzubieten.
Das interessante an diesen Ökosystemen ist, dass die dahinterliegenden Unternehmen nach anderen Regeln zu spielen scheinen. Es geht bei ihnen nicht mehr um Unternehmensvorteile, die andere Unternehmen nicht vorweisen können, wie z.B. Patente, viele kritische Assets oder Fähigkeiten, eine starke Marke oder eine regulatorische Bevormundung. Es geht auch nicht mehr um Marktpositionierung oder Ressourcendominanz.
Die meisten Plattformen produzieren nicht. Sie existieren, um andere miteinander zu verbinden. Sie schaffen einen Mehrwert, in dem sie Beziehungen und Netzwerke pflegen. Je mehr Personen oder Waren über ihre Plattformen in Transaktionen verwickelt sind, desto besser. Auch öffnen sich diese Plattformen gerne dem Wettbewerb und teilen ihr “geistiges Eigentum”, wenn es zum Wachstum des Ökosystem beiträgt (z.B. durch Open Source Technologien). Dieses Modell scheint heutzutage mehr wert zu sein, als den größten Teil des Marktes zu besitzen.
Ihr Ziel ist die Maximierung aller beteiligten Akteure. Plattformen wollen die Mitglieder in ihren Öksoystemen dazu bringen, nach den von ihnen aufgestellten Regeln zu interagieren. Verdient wird dann über Zugangskontrolle (Werbung, Mitgliedergebühr, Extra-Services etc.). Mit jedem neuen Mitglied steigt der Gewinn.
Innovationsökosysteme verändern Forschung und Entwicklung
Das neue Ökosystem-Verständnis wird in den meisten digitalen Unternehmen nicht nur genutzt, um neue Geschäftsmodelle im Markt zu platzieren. Viele benutzen das Konzept zudem zur Verbesserung ihres Innovations- oder Strategiemanagements.
Innovationsökosysteme beschreiben den dynamischen Zusammenschluss von Akteuren, Aktivitäten und Artefakten (Produkte, Dienstleistungen, materielle und immaterielle Ressourcen, oder technologische und nicht-technologische Ressourcen) sowie die Institutionen und ihre Beziehungen untereinander. Einschließlich ergänzender Beziehungen, die für die innovative Leistung eines Akteurs oder des gesamten Ökosystems wichtig sind.
Dieses Verständnis zahlt darauf ein, dass eine Innovation nicht das Produkt einer einzelnen genialen Person ist, sondern das Ergebnis eines ausgerichteten Kollektivs, welches ein gemeinsames Bewusstsein teilt, das Wissensgerüst und Zugehörigkeit zugleich darstellt und damit einen Mehrwert für mit dem Ökosystem interagierenden Akteure bietet.
Das Ökoystem ist dann erfolgreich, wenn alle an einem gemeinsamen Strang ziehen, partizipieren und aus der Summe aller Teile etwas Größeres machen. Und tatsächlich: Innovationen gedeihen in diesen kollaborativen Ökosystemen deutlich besser, als wenn man sie entkapselt, einschließt und erst wieder raus lässt, wenn das Produkt, der Service oder das Geschäftsmodell fertig ist.
Gerade in unseren volatilen und chaotischen Zeiten ist es entscheidend, wie Organisationen Innovation und Kreativität strukturieren und organisieren. Experimente im und mit dem Ökosystem sind dabei unerlässlich. Ideen und Innovationen dürfen nicht im Silo versauern. Zwar wird oft vorgeschoben, dass dies gleichbedeutend mit Kosten, Zeitaufwänden und Risiko ist. Doch gerade in unserer netzwerk-getriebenen Welt sollten das keine Argumente mehr sein. Innovationen müssen herausgefordert und vom Markt unterstützt werden. Dafür müssen Unternehmen ihre eigenen Grenzen durchbrechen. Sie dürfen keine Mauern um ihre Forschungs- und Entwicklungsabteilungen bauen. Sie sollten eher zu Drehscheiben für Ideen und Innovationen werden. Egal woher sie kommen. Ob von Mitarbeitern oder aus dem nahen Ökosystem, wo sich Startups, Partner, Wettbewerber und andere Stakeholder tümmeln. Je mehr Interaktionen (und damit Perspektiven) im Ökosystem, desto größer die Chance, dass Unternehmensprobleme auch gelöst
werden können.
Gerade wenn es darum geht, Innovationen in marktfähige Produkte oder Services zu übersetzen, ist das Ökosystem immer dem eigenen Innovation Center überlegen. In-house hat man immer nur einen begrenzten Zugriff auf Mittel, Ideen und Unternehmer, die aus den Ideen auch etwas machen. Das Ökosystem um Unternehmen oder Technologien ist immer größer und bietet eine Vielzahl von Möglichkeiten. Man muss nicht immer Produkte oder Services bauen, man kann auch Partnerschaften nahe dem Kerngeschäft eingehen oder in aussichtsreiche Jungunternehmen investieren.
Das Gute: Die Grundlagen hierfür haben alle Organisationen bereits im Haus. Man muss nicht zwingend ein Unternehmen nach dem anderen akquirieren. Schnittstellen in das Ökosystem sind implizit in Unternehmen vorhanden. Jeder Mitarbeiter hat Kontakte zu Startups, Wettbewerbern oder anderen Innovatoren. Um mit diesen losen Verbindungen ins Ökosystem arbeiten zu können, ist es wichtig die Beziehungen explizit zu machen. Dies gilt vor allem für Innovationsabteilungen, Corporate Venture Capital Units oder Einkauf und Marketing. Wenn man seine Schnittstellen einmal erfasst und Kollegen oder anderen Abteilungen zur Verfügung stellt, fließen Ideen viel schneller durch das Unternehmen und können zudem besser organisiert und in Arbeitsprozesse integriert werden.
Aus der Masse an Startups und Innovationen die Perlen finden — mit dem hy Ecosystem Manager
Im Rahmen unserer Arbeit an der Schnittstelle von traditionellen Unternehmen und der Startup-Wirtschaft haben wir viele Unternehmen zu den oben genannten Dynamiken und Mechaniken beraten und begleitet und kennen als Tochterunternehmen von Axel Springer den Schmerz, den Konzerne in diesen Prozessen spüren sehr gut. Nach einer Marktdisruption steht nicht ein Stein auf dem anderen. Egal in welche Branche man blickt, Innovation findet nicht mehr zentral innerhalb eines Unternehmens statt, sondern zunehmen weltweit und dezentral, getrieben durch Startup- und Tech-Ökosysteme. Das Tempo, in dem neue Wettbewerber auf den Markt drängen und Marktanteile streitig machen, steigt rasant.
Es reicht nicht mehr aus, nur den direkten Wettbewerb zu beobachten. Es gilt, Startups, Partner und Innovatoren im firmeneigenen Ökosystem aktiv zu managen. Probleme erfordern neue Innovationsprozesse und -werkzeuge. Unsere Erfahrungen haben wir deswegen in eine Software zur Verwaltung und Erweiterung des Unternehmens-Ökosystem übersetzt, den Ecosystem Manager (ecosystem-manager.co). Er hilft Unternehmen dabei, die relevantesten Startups, Anbieter und Innovatoren im Ökosystem zu identifizieren, filtert für das Ökosystem relevante Nachrichten aus dem Wust an Informationen und Kanälen, unterstützt die zentrale Verwaltung von dezentral verteilten Kontakten und macht Deal Flow Prozesse und Ökosystementwicklung effizienter und effektiver.
Eine hohe Interaktionsfrequenz in der Produktentwicklung, in Innovationsabteilungen oder im Einkauf macht heute den Unterschied aus. Je besser Unternehmen ihre Ökosysteme kennen, strukturieren und orchestrieren, desto robuster und effizienter das Unternehmen und desto besser die Aussichten auf Erfolg in unsicheren und volatilen Märkten.
Der Artikel ist zuerst auf dem Blog von Axel Springer hy erschienen. Teil 2 hier.
Innovation
Ökosysteme
Plattformen
Axel Springer hy
Ecosystem Manager
June 2, 2020
Die Ökonomie des Tauschens und Teilens hat sich damit im B2C-Segment etabliert. Produkte, Objekte und Dienstleistungen, die sonst nicht ausreichend genutzt werden, können vorübergehend an andere ausgeliehen oder vermietet werden. Die Betreiber der entsprechenden Plattformen, wie zum Beispiel AirBnB oder Uber, besitzen dabei nur die Kundenschnittstelle, können aber durch den breiten Endkundenzugang die getauschten Waren und Dienstleistungen entsprechend orchestrieren.
Maschinen teilen
Dieser grundlegende Wandel in der Art und Weise, wie Menschen Dinge nutzen, wirkt sich zunehmend auch auf B2B-Märkte aus. Zwar ist es grundsätzlich nichts Neues, dass Unternehmen sich beispielsweise Maschinen teilen. Denn deren Anschaffungskosten waren schon immer hoch. Neue Plattformtechnologien geben ihnen nun aber die Sicherheit, dies nicht nur mit bekannten, sondern auch mit völlig unbekannten Parteien zu tun. Nutzer von zugangsbasierten Geschäftsmodellen zahlen Geld, um über Plattformen auf Dienstleistungen oder Güter einer anderen Partei zugreifen zu können, ohne dass deren Eigentum übertragen wird. Das bringt durchaus Vorteile mit sich, da die Unternehmen beispielsweise die Auslastung ihrer Maschinen verbessern können. Und das ist ein potenziell gigantisches Geschäft. Allein in den USA beläuft sich zum Beispiel der Wert der Investitionsgüter für die Landwirtschaft auf 250 Mrd. USD.
Ohne digitale Technologien sind solche B2B-Plattformen indes nicht möglich. Durch sie können nicht digitale Güter und Systeme anders verarbeitet werden. Sensorik macht die Geräte „smart“, um den Zustand und die Performance abbilden zu können. Das Internet ermöglicht es, sie aus der Ferne zu überwachen. Werden dann auch noch die Daten analysiert, so lassen sich daraus Diagnosen und Prognosen ableiten. Dadurch erhält man einen detaillierten Einblick in das Tagesgeschäft. Man weiß, wo sich Objekte befinden, in welchem Zustand sie sind, wie ihre Auslastung aussieht, ob sie Wartung benötigen oder ob sich möglicherweise ein Problem anbahnt. Dies wirkt sich positiv auf die Effektivität, aber auch auf die Effizienz aus.
In der Logistik wiederum geht es um den flexiblen Zugang zu Dienstleistungen, um Auslastungsschwankungen in der Infrastruktur auszugleichen. Das funktioniert besonders dann, wenn die Angebotsseite stark fragmentiert und der Zugang zu Kapazitäten ineffizient ist. Auch weil die Kosten für den physischen Transport hoch bleiben, können digitale Technologien und Geschäftsmodelle hier helfen, die Kosten für Transaktionen zu senken, Nachfrage zu aggregieren und Lagerung oder Zustellungen zu optimieren.
Auch sehr bekannte Unternehmen widmen sich dieser Idee: Uber Freight, Amzon Freight oder die Manbang Group, vormals Houchebang aus China (1,9 Mrd. USD Risikokapital), versprechen eine Kapazitätsoptimierung. Auch DHL hat mit Saloodo ein Pferd im Rennen. Und in Deutschland versuchen sich MAN und BCG mit dem Unternehmen Loadfox.
Andere Start-ups arbeiten an der Schnittstelle von Lagerung und Logistik. Unternehmen wie Stord (USA, 15 Mio. USD Risikokapital), Flexe (USA, 63,6 Mio. USD Risikokapital), Mospace (Indonesien, unbekannt) oder Stowga (UK, 2,3 Mio. USD Risikokapital) entwickeln Shared- oder On-Demand-Warehousing-Geschäftsmodelle.
Die Unternehmen gehen davon aus, dass bis zu 30 Prozent der Lagerflächen in den USA brachliegen. Deswegen erstellen sie Datenbanken von Lagereigentümern und Mietern, die es ermöglichen, freie Lagerkapazitäten an Dritte zu vermitteln. Bestenfalls geschieht das so flexibel, wie AirBnB freie Schlafplätze zur Verfügung stellt. 1.000 Partner haben bei Flexe zwischen Sommer 2018 und Sommer 2019 bereits Gebote für Lagerflächen abgegeben. Im Sommer 2019 konnte das Start-up so auf ein Netzwerk mit einer Fläche von 2,78 Mio. m² zugreifen.
Mit viel Lob wurde auch der Ansatz von Darkstore (USA, 30 Mio. USD Risikokapital) bedacht. Dessen CEO Lee Hnetinka möchte Same Day Delivery für Marken ermöglichen, die sich online über Social Media oder Websites direkt an ihre Kunden wenden. Junge und kleine Marken sollen jenseits der großen Retail-Plattformen wie Amazon oder Zalando die gleichen Services anbieten können, indem sie über Darkstore Zugang zu Lagerflächen und Fulfillment-Dienstleistungen erhalten. Dafür sollen nicht ausgelastete Flächen in Innenstädten genutzt werden. Im Bestfall erzeugt dies dort mehr Umsatz, weil die Waren nah am Endkunden positioniert werden. Um die Lieferung zu ermöglichen, nutzt Darkstore diverse Drittanbieter wie das Start-up Deliv (USA, 85 Mio. USD Risikokapital) oder reguläre Speditionen.
Die neuen Angebote richten sich besonders an schnell wachsende Unternehmen, die nah an den Endkunden rücken wollen. Dafür wird Zugriff und Zugang zu flexiblen Lagerkapazitäten und Fulfillment-Aktivitäten benötigt. Durch die oben genannten Angebote müssen Unternehmen nicht mehr zwingend große Anfangsinvestitionen stemmen, sondern können die Dienstleistungen einfach buchen oder stornieren — je nach steigender oder fallender Nachfrage. Verbraucher erhalten im Gegenzug eine höhere Qualität und mehr Optionen, da die Dienstleister sich mit ihren Angeboten bewusst als Alternative zu den großen Monopolisten positionieren.
Wissensvorsprung nutzen
Um mitzuhalten, müssen traditionelle Anbieter zwar an ihren digitalen Kompetenzen arbeiten. Sie haben aber auch einige Asse im Ärmel: ihr tiefes Wissen über die Lagerverwaltung, das Verständnis für die optimale Nutzung von Technologien und Prozessen, den Besitz von Gütern, Maschinen und Räumlichkeiten sowie das Know-how über End-to-End-Transporte. Da kann kein Start-up mithalten.
Noch werden die Prozesse getrieben von neuen Akteuren für neue Akteure, die die Logistikwertschöpfung neu denken und für sich neu definieren. Einstiegsmöglichkeiten gibt es vor allem im flexiblen Spot-Business. Die digitalisierten Einkaufsprozesse können aber auch im nächsten Schritt ins Kontraktgeschäft übertragen werden. Start-ups beginnen mit einem Problem und erweitern bei Erfolg ihre digitalen Prozesse. Hinzu kommt, dass die großen digitalen Plattformen in die analoge Welt expandieren: Amazon kauft Lieferwagen und betreibt Flugzeugflotten, AirBnB entwickelt und baut eigene Hotels, und Flexport betreibt eigene Lagerhäuser. So wollen sie ihre Services verbessern und mehr Kontrolle über die Customer Experience erhalten. Zum Glück der Plattformen ist das derzeit nur eine Frage des Geldes. Denn den digitalen Kundenkontakt halten sie schon. (sr)
Bis zu 30 Prozent der Lagerflächen in den USA sollen brachliegen. Start-ups erfassen diese und vermitteln dann freie Kapazitäten an Dritte.
Geschrieben mit Artur Reimer. Dieser Artikel ist zuerst im Rahmen einer Serie rund um Digitalisierungsdynamiken und deren Auswirkungen auf die Logistik in der DVZ erschienen und dann auf dem Blog von Axel Springer hy.
Logistik
Geschäftsmodelle
Plattformen
B2B
Axel Springer hy
DVZ
June 2, 2020
Wegbereiter einer neuen Wertschöpfungs-Welt
Vor knapp fünfzehn Jahren erreichten die Top 10 Dax-Unternehmen den neunfachen Unternehmenswert der zehn größten globalen Plattformen zusammen. Anfang 2020 zeigt sich ein umgekehrtes Bild: Die Top 10 Plattformen erreichen gesamt bereits die fünffache Marktkapitalisierung der Dax Top 10. Tendenz steigend. Egal ob man nun Marktkapitalisierung oder Markenwert als Indikator für wirtschaftlichen Erfolg anlegt, Plattformen gewinnen. Sie sind die Pförtner der wichtigsten Ökosysteme dieser Welt. Sie orchestrieren eine neue Art der Wertschöpfung und richten diese konsequent auf den Kunden und seine Bedürfnisse aus.
Vor allem verbraucherorientierte Branchen haben die Wucht zu spüren bekommen, denn Wertschöpfung, Kundenzufriedenheit, Kundenanspruch und Kundenzugang wurden in zahlreichen Branchen neu strukturiert. Doch Plattformen im Konsumenten-nahen Industrien sind nur die Spitze des Eisberges. Denn der Hunger nach Wachstum ist weiterhin ungestillt. Zunehmend bekommen auch B2B- und Industriemärkte die Auswirkungen zu spüren. Große Plattformen expandieren in angrenzende Märkte, erweitern ihr Angebot oder integrieren ihre Lieferkette, um mehr Kontrolle über das Angebot auf der Plattform zu erhalten oder um die Ausgaben für klassische primäre und unterstützende Aktivitäten zu reduzieren.
Airbnb baut eigene Hotels, um den Kunden eine bessere “Experience” zu bieten. Amazon Prime und Netflix investieren pro Jahr zweistellige Milliardenbeträge in Content und Lizenzen, die neue Kunden anlocken und auf den Plattformen halten sollen. Spotify investiert in ein Musikwiedergabegerät für das Auto. Google, Facebook und Amazon geben Kapital für Seekabelinfrastrukturen, um die Performance ihrer Rechenzentren zu optimieren, aber auch um afrikanische und südamerikanische Märkte erschließen. Und Amazon verkauft inzwischen nicht nur Konsumgüter und Cloud-Services, sondern entwickelt ein neues Betriebssystem für den modernen Einzelhandel.
Der E-Commerce-Riese möchte damit nicht nur die Logistik auf der letzten Meile optimieren, um auch den letzten Teil der Lieferkette zu besetzen, sondern möchte auch die eigenen Logistik- und Intralogistikprozesse optimieren. Der Hintergrund ist so einfach wie banal: Kostensenkung über Effizienzgewinnung. Immerhin beliefen sich Amazon’s Lieferkosten im Jahr 2018 auf 27,7 Mrd., USD und für Fulfillment wurden 34 Mrd. USD in der Gewinn- und Verlustrechnung vermerkt. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Amazon jedes Experiment wagt, welches auch nur geringe Effizienzvorteile verspricht. Dabei folgt der Entwicklungsprozess einer klaren Struktur:
- Ineffizienzen identifizieren
- Eine passende technologische Lösung entwickeln
- Lösung zu einer Plattform skalieren
- Die Plattform gegenüber Drittanbietern öffnen
Der Kampf um digitale Märkte hat damit ein unbekanntes physisches Level erreicht. Auch, weil die Digitalen erkannt haben, dass Plattformen nur der erste Schritt zur Veränderung von bestehenden Märkten waren. Denn selbst „disruptierte“ Branchen stecken in den Kinderschuhen des digitalen Wandels: Der globale Einzelhandel beläuft sich zum Beispiel auf circa 25 Billionen USD pro Jahr. Der E-Commerce-Anteil am globalen Einzelhandelsumsatz betrug 2017 aber nur etwas mehr als 10 Prozent. Ein anderes Beispiel: Nach Angaben von Zalando umfasst der Fashion Markt in Europa 420 Mrd. EUR. Daran hält Zalando aber gerade einmal 1,2 Prozent. Das langfristige Ziel sind ambitionierte 5 Prozent.
Dieser Gangwechsel sollte von traditionellen Unternehmen als Chance begriffen werden. Es geht nicht mehr darum , Software zu nutzen, um Kundenerlebnisse, Einkaufsprozesse oder internen Verwaltungsaufwand durch Plattformansätze zu optimieren. Es geht darum, die materielle mit der immateriellen Welt zu verschmelzen, um Prozesse in der analogen Welt effizienter und effektiver zu machen. Je mehr Materie dabei eine Rolle spielt, desto größer der Hebel traditioneller Unternehmen. Ein Beispiel: Zwar besitzen Google, UBER oder Didi Chuxing das Endkundeninterface im Mobility Service Bereich, doch kommen sie (noch) nicht an In-Car-Daten heran. Sie setzen wie die meisten Mobility Service Provider auf sekundär erhobene Smartphone-Daten. Hier liegt die Chance der OEMs. Sie bestimmen, wer den Zugriff auf hochauflösende und hochwertige Daten erhält.
Zugegeben, die großen Digitalunternehmen besitzen eine Datenkompetenz, die schwer zu erreichen ist. Der Anteil deutscher Unternehmen an der Internetökonomie liegt zudem im unteren einstelligen Bereich. Doch Initiativen wie Mindsphere von Siemens, die Daimler und BMW Mobility Service Fusion, die deutsche Aftermarket-Branchenlösung Caruso, Aviatar von Lufthansa Technik, Chemondis von Lanxess oder XOM Materials von Klöckner zeigen, dass auch deutsche Unternehmen innovativ auf Plattformen und Ökosysteme setzen können. Mittels Automation und Informationsmanagement können Wertschöpfungs- und Lieferkettenprozesse effektiver und effizienter werden, bei gleichzeitiger Reduzierung des Verwaltungsaufwandes.
Auf den Innovationsagenden von Unternehmen sind immer häufiger plattform-getriebene Geschäftsmodelle zu finden. Sie verdrängen die Digitalisierung und Sensorfizierung. Natürlich war Letzteres zwingend notwendig. Man sollte sich aber nicht darauf ausruhen. Jetzt gilt es die Geschäftsmodelle anzupassen und zu schauen, wie man gemeinsam Plattformen initiiert, um alle anfallenden Daten auch zweckgebunden zu verarbeiten. Denn Daten sind der Schlüssel zu besseren Services und Produkten.
In der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit liegt daher eine große Chance. Gemeinsame Datenpools oder Datenplattformen öffnen erst Themen wie Smart Mobility, Smart Logistics oder Smart Health. Sind Infrastrukturen geschaffen, können auch Services und Produkte entwickelt werden. Nur wenn Branchen sich auf Datenplattformen einigen, können Kapazitäten gemeinsam organisiert werden. Nur so können systemische Effizienzen allen zugute kommen. Dies ist eine Perspektive für Alle, die sich abgehängt fühlen.
Dieser Artikel ist zuerst im Rahmen einer Serie rund um Digitalisierungsdynamiken und deren Auswirkungen auf die Logistik in der DVZ erschienen und dann auf dem Blog von Axel Springer hy.
Logistik
Geschäftsmodelle
Plattformen
Axel Springer hy
DVZ
June 2, 2020
Warum neue Technologien, Geschäftsmodelle und Akteure die Logistik verändern
Digitalisierung, Industrie 4.0 oder digitale Transformation — diese Schlagwörter stehen für die Herausforderungen und Veränderungen der digitalen Welt. Technologischer Wandel, neue Akteure, zunehmende Professionalisierung und sich verändernde Kundenansprüche — all dies wirkt dramatisch. Atemberaubend schnell entstehen neue digitale Produkte und Infrastrukturen. Herkömmliche Prozesse und Herangehensweisen werden dadurch herausfordert.
Auch die Logistikbranche spürt dies. Die Unternehmen stehen folglich vor gewaltigen Aufgaben — strategisch wie taktisch, aber auch kulturell und strukturell. Denn die Veränderung geschieht so schnell wie niemals zuvor. Da hilft es auch wenig, dass die Branche bereits auf eine lange Geschichte voller Veränderungen zurückblicken kann und stets selbst Treiber der Automatisierung war. Waren vor wenigen Jahrzehnten noch Skaleneffekte, zentralisierte Produktentwicklung und Hardware entscheidend, sind heute Netzwerkeffekte, Software und digitale Ökosysteminnovationen gefragt. Ging es früher insbesondere um die Kontrolle der Lieferkette, sind heute Plattformen und die Orchestrierung von Akteuren entscheidend für Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen. Doch warum ist das so?
Ineffizienz ist nicht länger akzeptabel
In einer optimalen Welt entspricht der Materialfluss dem aktuellen Bedarf der Produktion. Diesen Zustand kann die Digitalisierung unterstützen, indem sie Konnektivität, Transparenz, Automatisierung und Flexibilität ermöglicht. Ergebnis sind eine vorausschauende Wareneingangslogistik, informationsgetriebene Steuerungsprozesse oder virtuelle Produktionszwillinge, welche die Bestände in Echtzeit überprüfen und ein präzises Kapazitätsmanagement ermöglichen. Dies ist das Zukunftsbild der Smart Factory. Noch stehen diese Zukunftsanwendungen aber im starken Kontrast zu traditionellen Fabrik- und Warenhallen, in denen heute 80 Prozent der Arbeiten manuell ausgeführt werden.
Während der Warenversand auf absehbare Zeit ein physischer Prozess bleiben wird, ist das Management dieses Prozesses wegen der vielen Ineffizienzen dazu prädestiniert, digitalisiert zu werden. Die Folge: Die Logistik wird optimiert auf Durchlaufzeiten, Warenverfolgbarkeit, Dokumentenverwaltung und Preis. Neue Akteure können in den Markt eintreten. Eine Vielzahl von Anbietern konzentriert sich hier auf Routenoptimierung, Flottenmanagement oder die Prognose von Handelsschwankungen. Alle setzen auf Daten, aggregieren und analysieren diese und stellen sie als digitalen Service zur Verfügung.
Das E-Commerce-Wachstum lässt sich mit herkömmlichen Logistikkonzepten nicht mehr abbilden
Auch das Wachstum von digitalen Märkten fordert die Logistik heraus. Zwar entwickelt sich der E-Commerce nicht mehr so rasant wie noch vor einigen Jahren. Allerdings ist bereits eine Durchdringung erreicht worden, die Herausforderungen mit sich bringt. Saisonale Kapazitätsengpässe, wie gerade wieder in der Weihnachtszeit erlebt, fordern neue Lager- und Logistikkonzepte. Hier entwickeln sich allmählich Shared Warehousing-Ansätze zu einer Alternative, die die Lagerhaltung von einem fixen in einen variablen Kostenfaktor verwandeln kann. Damit einhergehend verändern sich auch die Abläufe innerhalb von Lagern. Die Automatisierung von Prozessen wie der Kommissionierung oder des Scannens sind hier entscheidend. Die Inflation der Arbeitskosten und der Personalnotstand verstärken diesen Trend noch.
Überbordende Kundenerwartungen auf letzten Meile
Für die Kunden ist es selbstverständlich, dass sie ihre Ware schnell und zugleich kostenlos geliefert bekommen. Um diesen Wunsch zu erfüllen müssen die Logistikdienstleister einerseits die Kosten senken und zugleich zeitlich effizienter werden und zum anderen zusätzliche Kapazitäten aufbauen. Eine Lösung können dezentrale Lager sein, die nahe an den Verbraucher rücken. Aber auch Click & Collect-Strategien in Kollaboration mit dem Einzelhandel sind eine mögliche Lösung.
Die Herausforderungen und Veränderungen sind also immens. Allerdings verbirgt sich auch in der Logistik hinter der digitalen Transformation großes Potenzial. Lieferketten werden in den nächsten Jahren von digitalen Technologien wie künstlicher Intelligenz, Blockchain, Internet of Things, Cloud und weiteren stark profitieren. Aus linearen Prozessen werden dynamische, vernetzte und offene Systeme mit vielen eingebundenen Partnern, die in Echtzeit und nahezu autonom interagieren und nachfrage- und ergebnisorientierte Dienstleistungen anbieten.
Ein Blick auf die Automobilindustrie reicht aus, um eine Idee davon zu erhalten, wie ein digitales Ökosystem wirkt. Die Logistik steht heute erst am Beginn einer radikalen Veränderung, die die Relevanz und Präsenz der Branche im Alltag massiv verändern wird. Etablierte Unternehmen sollten hier ihre Vorteile ausspielen. Mit ihrer Expertise und ihren etablierten Kundenbeziehungen haben sie digitalen Start-ups und Disruptoren einiges voraus. Vielen fehlt nur der Mut, sich auf das Unbekannte einzulassen und Innovation voranzutreiben.
Dieser Artikel ist zuerst im Rahmen einer Serie rund um Digitalisierungsdynamiken und deren Auswirkungen auf die Logistik in der DVZ erschienen und dann auf dem Blog von Axel Springer hy.
Logistik
Geschäftsmodelle
Plattformen
Axel Springer hy
DVZ
June 1, 2020
Geschäftsmodelle
Gilette Werbung, 1907
Denken wir an Innovationen, denken wir an Technologien, Produkte oder Dienstleistungen. Doch auch Geschäftsmodelle können innovativ sein.
Dies war jedoch nicht immer der Fall. In den vergangenen Jahrhunderten waren Geschäftsmodelle bemerkenswert stabil. Sie wurden von wenigen Schlüsselideen & Spielregeln für die Schaffung & Erfassung von wirtschaftlichem Wert bestimmt. Wettbewerb bedeutete, dass Unternehmen versuchten, dasselbe Geschäftsmodell besser umzusetzen als ihre Konkurrenten.
In den 1920ern waren Bait-&-Hook- oder Razorblade-Geschäftsmodelle der Trend. In den 1950ern führte McDonalds das „Franchise-Model” ein und in den 1960ern entstanden “Hypermärkte” wie Walmart. Mit dem Aufkommen des Internets in den 1990ern änderte sich aber alles. Ein neues Geschäftsmodell nach dem anderen entstand. Beispiele: Geschäftsmodelle waren plötzlich entflechtungs- oder nischenproduktorientiert, Plattformen entstanden und Freemium Modelle erweiterten das Bait-and-Hook Modell.
Geschäftsmodelle sind heute nicht mehr auf Jahrzehnte hin dominant, sondern müssen konstant auf der Hut sein. Business as usual existiert nicht mehr. Wenn Unternehmen wachsen wollen, müssen sie agil und adaptiv mit neuen Geschäftsmodellen experimentieren. Alles andere ist keine Option.
Business Models
Geschäftsmodelle
Innovation
Digital Disruption
May 25, 2020
LG Prada
LG Prada
2007 wurde das Smartphone geboren. Doch nicht etwa Apple verkaufte die ersten Smartphones mit kapazitiven Bildschirm, sondern LG.
Das 777 US-Dollar teure LG KE850, auch bekannt als LG Prada, wurde knapp einen Monat vor Steve Jobs’ großem Auftritt auf der Macworld Conference & Expo in San Francisco vorgestellt. Das Smartphone gewann Designpreise, verkaufte sich in den ersten 18 Monaten über 1 Million Mal und wurde von der Kritik gut aufgenommen.
The LG KE850, elsewhere known as the Prada phone, is nothing like iPhone. A highly stylish and versatile multimedia device, the Prada branded mobile is a true joy to the eye and represents the true meaning of a fusion between a full-featured mobile phone and a fashion icon. Impressive from the word go, the Prada phone will leave nothing but fascination in everybody around you.
Doch mittelfristig verlor es gegen die Innovation aus dem Hause Apple. Das LG Prada war mehr Palm 2.0, als Zukunft.
Die alteingesessenen Telefonhersteller versuchten ihre guten mobilen Telefone “smart” zu machen, in dem sie ihnen Features wie Internet, Tastaturen oder Mail-Programme gaben. Hardware-seitig wagte man nur inkrementelle Schritte. Steve Jobs hingegen hatte nie vor ein Telefon zu bauen. Er wollte einen tragbaren Computer, der auch telefonieren kann. Man erkannte, dass Tastaturen in smarten Telefonen nur Einschränkungen nach sich zogen. Also dachte man radikal und setze auf ein neues Benutzererlebnis plus Integration in das eigene Ökosystem.
Gebrauchte und gut erhaltende LG Prada Geräte kosten heute übrigens um die 30 Euro. Für gebrauchte iPhones werden hingegen fast 1000 Euro aufgerufen.
Digital Disruption
May 21, 2020
Was wir vom Fuchs und Igel noch lernen können
hy Positions, 2020
„Der Fuchs weiß viele Dinge, aber der Igel weiß eine große Sache“, schreibt der altgriechische Dichter Archilochos. Die Ideengeschichte argumentiert, dass der Igel ein spezialisierter aber starrer Denker ist. Er favorisiert eine tiefe Wahrheit, während der Fuchs multidisziplinär und selbstkritisch im Denken ist. Der Igel fokussiert sich fanatisch auf das Wesentliche. Er entwickelt einfache Lösungen und erreicht durch seine Lautstärke eine große Masse. Der Fuchs hingegen verfolgt widersprüchliche Ziele. Er zeigt intellektuelle Demut, hat ein Gespür für Komplexität und ist bescheiden im Auftreten. Zudem kann er mit Ungewissheiten leben, weil er nicht voll in eine Sache investiert ist. Auch favorisiert er Kreuzungen, an denen Strategien, Wissenschaften oder Ideen in Austausch treten. Egal ob es sich beim anpassungsfähigen Fuchs und beim unerschütterlichen Igel nun um Politiker oder Unternehmer beziehungsweise um Strategien oder Innovationen dreht. Wir neigen den Posaunen des
ideologischen Igel zu folgen. Eine fatale Eigenart, denn eigentlich ist der vorsichtige Fuchs dem zuversichtlichen Igel überlegen.
Natürlich ist der Fuchs auch fehlbar. Er verzettelt sich, bewegt sich eher zur Seite als nach Vorne und bespringt jede neue Idee. Die Strategie des Igels ist daher durchaus legitim. Weitsicht und Beharrlichkeit können ein unschlagbares Duo sein. Dennoch können und müssen wir in Zeiten steigender Komplexität vom Fuchs lernen. Sein Ansatz ist von Agilität und Adaptivität geprägt. Er reagiert auf sich ändernde Umstände und nutzt sie. Er lehrt uns, wie man sich für Ideen öffnet und Dinge zulässt, die nicht in unser Weltbild passen. Oder wie wir im weiten Unbekannten nach Neuem suchen und Kreativität und Fortschritt finden können.
Ich bin davon überzeugt, dass wir immer noch viel vom Igel und Fuchs lernen können. Beide müssen nicht zwingend miteinander auskommen. Dafür sind zu unterschiedlich. Doch es lohnt sich beiden eine Heimat zu geben. Denn beide sind wichtig für den Unternehmenserfolg. Natürlich kostet der Unterhalt Zeit, Geld, Geduld und Kraft. Doch folgt man nur Igeln, verpasst man möglicherweise die nächste große Sache. Folgt man dagegen Füchsen auf ihren Irrwegen, verliert man irgendwann den Überblick. Doch beide zusammen sind der Schlüssel zu Robustheit und Adaptivität.
Deswegen sollten wir 2020 anfangen mehr über Strukturen, als über Kulturen und Strategien zu sprechen. Organisationen sind dann erfolgreich, wenn sie Bedingungen schaffen, die neue Ideen aber auch bestehende Überzeugungen fördern. Gerade in Zeiten, wo sich Informationen instantan verbreiten und Startups in den entlegensten Dörfern der Welt entstehen können, ist es wichtig, die Kommunikation und den Austausch nicht zu vernachlässigen. Es geht darum, ein Gleichgewicht zwischen widersprüchlichen Haltungen zu schaffen. Egal wie bizarr oder kontraintuitiv die Ideen sein mögen, egal wie kritisch und skeptisch die Überprüfungen sind, erst der Austausch zwischen Igel und Fuchs lässt die Wahrheit und das Neue ans Licht treten.
In 2020 möchte ich deswegen Grundlagen für Strukturen schaffen, die divergierende und disparate, aber letztlich komplementäre Ideen, Sichtweisen, Strategien oder Produkte koordinieren. Denn die komplexen Probleme des 21. Jahrhundert werden nicht von rücksichtslosen Igeln mit abgestandenen und eindimensionalen Visionen gelöst, sondern von Ökosystemen, bestehend aus vielfältigen Perspektiven, angeleitet durch ein geteiltes Bewusstsein für Werte und Ziele.
Der Text erschien zuerst auf dem Blog von Axel Springer hy.
thoughts
May 18, 2020
Voice Capacity
Capacity and Cost per Voice
1956 wurde das erste transatlantische Telefonkabelsystem, TAT–1 (Transatlantic No.1), zwischen Oban in Schottland und Clarenville in Neufundland in Betrieb genommen. Es hatte eine Kapazität von 89 transatlantischen Anrufen, bei einem Kostenaufwand von $5,3M in 2020 US-Dollar!
Weil Telekommunikationsinfrastruktur damals zuverlässig sein musste, dauerte es 14 Jahre, bis die Kosten um das zehnfache gefallen sind. Heute ist Netzwerkausrüstung relativ billig und austauschbar, da niemand mehr erwartet, dass sie jahrzehntelang aktuell bleibt. Google’s privates Untersee-Kommunikationskabel Dunant zwischen Virginia Beach (US) und Saint-Hilaire-de-Riez (F) hat eine theoretische Kapazität von 250Tbit/s oder 19,53 Milliarden Verbindungen, was circa 1,2 US-Cent pro Pfad entspricht. Beziehungsweise 1 Million US-Dollar pro Terabit/s.
Via Benedict Evans.
Internet