December 10, 2020

Begeisterung kann trügen

Um die Jahrtausendwende bezeichnete Steve Jobs eine Erfindung als die wichtigste Innovation seit dem PC. Jeff Bezos und John Doerr stimmten ein: Das Gerät sei wichtiger als das Internet. Heute vor 19 Jahren wurde die Innovation der Öffentlichkeit präsentiert. In Good Morning America“ erblickte der Segway von Dean Kamen — nach Steve Jobs die Zukunft des Stadtverkehrs” — das Licht der Welt.

Nun… Hinterher ist man immer schlauer und auch Steve Jobs war fehlbar. Der Segway war ein kolossaler Reinfall. Ein falsch-positives Urteil. Warum?

  1. Kamen verzichtete auf Marktfeedback. Wenige durften das Gerät testen. Kamen’s Hybris: Er hatte eine Lösung, aber kein Problem.

  2. Intuition ist nicht alles. Jobs, Bezos & Doerr waren begeistert, aber fachlich nicht in der Lage den Segway zu bewerten.

  3. Erfindungen müssen bei aller Innovation praktikabel sein und Kunden überzeugen.

  4. Durchführung > Idee. Der Segway war zu teuer. Kundenfeedback hätte dem früh entgegen wirken können.

Der Segway mag gescheitert sein, Kamen ist es nicht. Viele nützliche Erfindungen folgten. Auch dem Rest erging es nicht schlecht. Der Segway war nicht ihre einzige Wette. Was wir mitnehmen können: Begeisterung kann trügen, Feedback & Iteration schadet nicht. (Bild: Jan Wergin)

Segway Dean Kamen Steve Jobs Invention Innovation
December 7, 2020

📚 Books Books Books (2020 part 2)

Endlich neigt sich 2020 dem Ende entgegen und wir können das verdammte Jahr zu den Akten legen. Auch wenn vieles nicht lief, habe ich an meiner Absicht festgehalten, mehr zu lesen. Insgesamt waren es 54 Bücher, in Form von Print, Audio oder Digital. Hauptsächlich Non-Fiction, gepaart mit Science Fiction. Wer das volle Programm sucht wird bei Goodreads fündig. Die ersten sechs Monate Non-Fiction habe ich hier zusammengefasst. Unten folgt der Rest, gelistet nach Lesedatum. Wer noch ein Geschenk sucht, dem sei mein Lieblingsbuch 2020 empfohlen: Merlin Sheldrake: Entangled Life - How Fungi Make Our Worlds, Change Our Minds & Shape Our Futures, dicht gefolgt von Robert Macfarlane: Underland und Alfred Lansing: Endurance - Shackleton’s Incredible Voyage sowie Lindsey Fitzharris: The Butchering Art - Joseph Lister’s Quest to Transform the Grisly World of Victorian Medicine. 2021 wird definitiv mehr zu Pflanzenneurobiologie, Systems Thinking und Ökosystemwertschöpfung kommen. Versprochen.

Dietrich Dörner: Die Logik des Misslingens: Strategisches Denken in komplexen Situationen

Puh. Wahrscheinlich eines der wenigen Bücher, die ich 2020 nicht zu Ende lesen werde. Eigentlich tickt es alle Boxen, die mich interessieren. Im Kern handelt das Buch von der Unsicherheit, die von Komplexität ausgeht. Die Art von Unsicherheit, die in uns eine urmenschliche Angst schürt, die unser Gehirn mit einer einfachen Notfallroutine beantwortet: Der Suche nach einem bekannten Muster und dem Ausblenden aller anderen unberechenbaren Faktoren. Klingt vertraut? Vieles davon wurde in den letzten Jahren mit Blick auf Fake News und Verschwörungstheorien diskutiert. Unser Gehirn lässt uns nur das sehen, was es sehen will. Wir handeln und agieren intuitiv und impulsiv, ohne auf mögliche langfristige und vernetzte Wirkungen zu achten. Und in dem wir das tun, treffen wir ungemein viele Fehlentscheidungen. Dörner geht in seinem Buch auf spannende wissenschaftliche Simulationsexperimente und Alltagsentscheidungen genauso ein wie auf die kaskadierenden Fehler, die zur Nuklearkatastrophe von Tschernobyl führten. Es ist Dörner todernst. Und das merkt man. Seine Expertise ist gewaltig. Dennoch schafft er es irgendwie nicht, mich abzuholen. Auch wenn das Buch in die Gattung populärwissenschaftliche Literatur fällt, ist sein Stil langatmig und kompliziert. Es passt einfach gerade nicht in meine Lebenswelt. Wer aber Zeit und Muße hat, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, trifft hier auf einen Klassiker, der in unserer heutigen Zeit moderner denn je ist.

★★★☆☆

Bronwen Percival: Reinventing the Wheel - Milk, Microbes, and the Fight for Real Cheese

Manchmal fliegen einem Bücher zu, mit denen man nicht gerechnet hat. Dieses ist eines davon. Beim losen Surfen im YouTube Channel von James Hoffmann — bester YouTube Channel über Kaffee — sprang ich zu seinem Instagram Profil in dem er das Buch in einem Post von 2017 empfahl. Um was geht es? Um ein Wort: Käse. Ich daraufhin so: Warum nicht. Mal was anderes. Gesagt, bestellt, gelesen. Ich zitiere Hoffmann, weil ich ihm vollends zustimme: Engagierend, lustig, lehrreich und leidenschaftlich - alles, was Food Writing sein sollte. Wenn Ihr euch auch nur ein wenig für Käse oder Fermentierung oder Mikrobiologie interessiert - würde ich sagen, dass dies eine unverzichtbare Lektüre ist.” Ich hab enorm viel gelernt und tatsächlich auch Dinge gefunden, die mich und meine Interessen rund um Ökosystemwertschöpfung komplett abholen. Man sollte öfter den eigenen innerlichen Empfehlungsalgorithmus abschalten und zu Büchern greifen, die außerhalb des eigenen Netzwerkes und Interessengebietes liegen. Sie bereichern mehr als die dritte Perspektive auf das immergleiche Thema, in dem man sowieso schon Experte ist. Vorsatz für das neue Jahr: Raus aus dem Sumpf.

★★★★☆

Donella H. Meadows: Thinking in Systems - A Primer

Thinking in Systems ist eine Pflichtlektüre, die ich viel zu lange aufgeschoben habe. Das Denken in Netzwerken und vernetzten Systemen ist mir nicht fremd. Im Gegenteil. Dennoch fehlte mir bisher immer eine solide Einführung in das Thema, die die Grundlagen in einer klaren und einfachen Sprache vermittelt, auf das ich zurückgreifen konnte. Thinking in Systems ist diese Einführung. Ich hatte große Erwartungen an das Buch und sie wurden in jeder erdenklichen Hinsicht bestätigt. Meadows bringt eine große Anzahl von Beispielen mit, die aufzeigen, wie die Systemtheorie von verschiedenen Akteuren, von Regierungen über Unternehmen bis hin zu Einzelpersonen, angewandt wird. Sie gibt keine praktischen Tipps zur Anwendung wohlgemerkt. Es ist ein Buch über die Theorie, ihre Bestandteile und wie man die Dinge durch die Brille der Systemtheorie betrachtet. Auch ist das Buch schon fast 20 Jahre alt. Dies merkt man an einigen Ecken. Dennoch lindert dies nicht die Qualität. Jeder der sich in der Tech- oder Digitalszene zu hause fühlt, bzw. mit Plattformen, Ökosystemen oder Netzwerken zu tun hat, sollte dieses Buch gelesen haben. Schiebt es nur nicht wie ich zu lange vor Euch her.

★★★★★

Jon Gertner: The Idea Factory - Bell Labs and the Great Age of American Innovation

Die Royal Society, Bell Labs, Menlo Park, das Palo Alto Forschungszentrum, Xerox Parc, SRI International… Die Geschichte hat ein paar herausragende Forschungsinstitute hervorgebracht, die alle einen ungemein hohen Einfluss auf die moderne Menschheitsgeschichte hatten. Von seinen Anfängen in den 1920er Jahren bis zu seinem Niedergang in den 1980er Jahren, war der Forschungs- und Entwicklungsflügel von AT&T, die Bell Laboratories, das größte und wohl auch das beste Labor für neue Ideen in der Welt. Es ist schwer einen Aspekt des modernen Lebens zu finden, der nicht von den Bell Labs berührt wurde. Egal ob Transistoren, Halbleiter, Satelliten, Informationstheorie, Qualitätskontrolle, Faseroptik, Unterwasserkabel, CDs, Mobiltelefone, Videotelefone, Laser, Unix oder die Programmiersprache C. Alles wurde maßgeblich von Bell Labs verbessert oder dort erfunden. Das Buch tangiert eine Frage, die mich schon lange beschäftigt: Wie fördert man strukturell Innovation? Wir alle kennen Universitäten, private Institutionen oder Wettbewerbsmodelle. Das Modell, das in diesem Buch im Detail untersucht wird, ist ein anderes. Das Bell-Lab-Modell beschreibt ein riesiges industrielles Forschungslabor, das bequem innerhalb eines riesigen staatlich regulierten Monopols lebt. Tausende von Forschern wurden an einen einzigen Ort zusammengepfercht und mit der heroischen Aufgabe beseelt, die Art und Weise zu verändern wie wir kommunizieren. Wie, war ihnen selbst überlassen. Viele Aspekte des Labors wurden jedoch so konzipiert, dass Innovationen unterstützt und gefördert werden. Die Architektur war auf Interaktion ausgelegt (Steve Jobs und Pixar lassen grüßen). Es wurden Kurse angeboten, um das breite Wissen in der Organisation zu verbreiten. Hatte jemand eine Frage, durfte jeder auf jeden zugehen. Mein Netzwerk ist dein Netzwerk. Natürlich hatte die Organisationsstruktur auch so seine Probleme. Man kämpfte gegen die Regierung, die das AT&T Monopol brechen wollte. Es mussten viele Kompromisse eingegangen werden und letztlich starb Bell Labs schleichend kurz vor der IT Revolution in den 1980er Jahren. Vielleicht war das Silicon Valley Innovationsmodell (kleinere, konkurrierende Einheiten) dem monolithischen Labor, dessen Fortbestand nicht unbedingt von der Geschwindigkeit seiner Forschung abhängt, auch einfach überlegen. Es ging jedenfalls eine Ära zu Ende. Bell Labs sind nur ein Experiment von vielen, wenn wir über Förderung von Innovation sprechen. Aber ein sehr wichtiges.

★★★★☆

Ed Catmull: Creativity, Inc. - Overcoming the Unseen Forces That Stand in the Way of True Inspiration

Creativity Inc. ist die Geschichte von Pixar und seinen Gründern Steve Jobs, John Lasseter und Ed Catmull. Das Buch besteht zu gleichen Teilen aus Management Theorie”, Memoiren eines unkonventionellen Startup Geschäftsführer” plus eine gesunde Dosis Mein Verhältnis mit Steve Jobs”. Und obwohl das vielleicht etwas trocken klingt, schafft Catmull es in ein angenehmes Narrativ zu packen. Man merkt wie wichtig es ihm ist zu vermitteln, wie man bei Pixar eine großartige und dauerhaft vorwärtsgerichtete Kultur aufgebaut hat und wie diese Kultur den Erfolg des kreativen Unternehmens geprägt hat. Zugegeben, vieles hat man schon oft gehört: (1) Veränderung und Unsicherheit gehören zum Leben, deswegen sollte man sich Wandel nicht widersetzen. (2) Es braucht neue Fähigkeiten, um robust zu agieren. (3) Versagen ist eine notwendige Folge davon, etwas Neues zu tun. Und ja, man muss Fehler beheben und das wird teuer, ist aber immer noch billiger als zu versuchen alle Fehler zu vermeiden. (4) Kreativität bedeutet Chaos. Am Anfang sind selbst Babys hässlich. Schön werden sie mit der Zeit und vielen Iterationsschleifen. Durch Anekdoten und Einsichten zeigt Catmull die Kraft des Geschichtenerzählens auf und vermittelt durchaus ein paar nachhaltige und wichtige Weisheiten aus seinem Leben. Zugegeben, 2020 ist die falsche Zeit, um solch ein Buch zu lesen. Viele von uns sitzen daheim und starren zwölf Stunden pro Tag in einen seelenlosen Monitor. Wir sind weit weg vom Braintrust, dem Raum, in dem alle Mitarbeiter offen zusammenkommen und ehrlich ihre Meinung zum kreativen Prozess kundtun können. Dennoch hat es mir Spass gemacht Catmulls Erinnerungen zu folgen. Ich kann aber auch jeden verstehen, dem das Buch zu wenig bietet.

★★★★☆

James Lovelock: Novacene - The Coming Age of Hyperintelligence

Wow. Als James Lovelock Novacene schrieb, war er 98 Jahre alt. Und seine Gedanken sind so scharf wie eh und je. Bekannt wurde Lovelock für die Gaia-Hypothese. Sie besagt, dass die Erde und ihre Biosphäre wie ein Lebewesen betrachtet werden könne, da die Biosphäre (die Gesamtheit aller Organismen) Bedingungen schafft und erhält, die nicht nur Leben, sondern auch eine Evolution komplexerer Organismen ermöglichen. Seit der Formulierung steht die Hypothese in der Diskussion zwischen Kritik und Faszination für das Bild, das sie transportiert. Die Mythen der alten Griechen und die neuen Welten der Guardians of the Galaxy lassen grüssen. Sein neues Buch blickt nun auf die Zukunft dieses Organismus, eine Zukunft, in der der Mensch wahrscheinlich keine große Rolle spielen wird, nachdem er seinen Zweck” erfüllt hat, indem er eine Ära der künstlichen Intelligenz, das Novazän, einläutete. Ein durchaus spannender Gedanke, den Lovelock locker und leicht auf wenigen Seiten präsentiert. Teilweise ein wenig zu leicht, driftet er doch recht schnell ab Richtung Science Fiction, wenn er vorschlägt, dass künftig Cyborgs zu den Wächtern unserer Galaxie werden und auf Gaia und uns Menschen aufpassen. Daher vier Sterne bis zum religiösen Cyborg-Kapitel. Bis dahin ist es ein sehr klarer, kurzer und lesbarer Impuls, von einem 100 Jahre alten Wissenschaftler, der in seinen frühen Lebensjahren Stephen Hawking als Baby in den Schlaf wiegte 🤯

★★★★☆

Edward Snowden: Permanent Record

Hierzu brauche ich keine Worte verlieren. Die Memoiren sollte jeder einmal gelesen haben. Gefühlt scheinen wir einen Mantel des Schweigens und Vergessens über die Sache geworfen zu haben. Aber man darf nicht vergessen. Der Überwachungskapitalismus ist Realität.

★★★★☆

Vaughn Tan: The Uncertainty Mindset: Innovation Insights from the Frontiers of Food

Innovation. Innovation. Innovation. Man kommt heutzutage kaum noch drumherum. Egal ob Stream, Blogs, Magazine oder Artikel. Jeder beschwört die Kraft der Innovation im Business oder Tech-Kontext. Gekloppt werden jedoch immer die gleichen Management-Phrasen. Selten liest man irgendwo was neues. Und wenn, bleibt nicht viel Substanz übrig, wenn man einmal den Hype und das Buzzword-Lingo abgekratzt hat. Umso erfrischender ist der Blick von Vaughn Tan in die hochelitären R&D Küchen der innovativsten Restaurants dieser Welt. Er kann aus dem Vollen schöpfen. Jahrelang hatte er einen beispiellosen Zugang zu besten kulinarischen Teams der Welt und verrät, wie diese mit der großen Unsicherheit, die ihr Job jeden Tag mitbringt, umgehen. Er skizziert, wie diese Unsicherheit im Organisationsdesign der Küchenlabore und Restaurants eingebettet ist und tatsächlich mehr ist, als einfach nur zu versuchen, das tägliche Risiko der Küche zu reduzieren. Das Uncertainty Mindset veränderte die Art und Weise, wie die Küchen (Organisationen) Mitarbeiter einstellen, sich Ziele setzen und Teammitglieder motivieren. Es fördert eine höchst unkonventionelle Arbeitsweise, die wie geschaffen für das unsichere 21. Jahrhundert scheint. An einigen Stellen hätte ich mir ein paar Vergleiche mit herkömmlichen” Innovationsstrategien gewünscht. Aber Bücher aus Management Perspektive gibt es zu genüge. Spannend daher zu sehen, wie die Teams selbst in der Unsicherheit manövrieren und ihren eigenen Style entwickeln, der dem Altbestand wie den Neuen Orientierung, Halt und Raum für Experimente gibt. Danke Johannes für die Empfehlung!

★★★★☆

Merlin Sheldrake: Entangled Life - How Fungi Make Our Worlds, Change Our Minds & Shape Our Futures

Pilze. Kann man mich mit jagen. Allerdings lehrte mich Merlin Sheldrake — der Sohn von Rupert Sheldrake, der morphogenetische Felder erforscht — Pilze zu lieben. Man muss sie ja nicht gleich essen. Das Buch veränderte meinen Blick auf die Welt. Ohne Pilze kein Wein, Bier, Pizzateig, Penicillin, LSD oder Kompost. Ohne Pilze würden wir unter Kilometern von Biomasse ersticken. Entangled Life ist ein faszinierender Einblick in die Welt der Pilze. Eine Welt, die mit so gut wie allem anderen auf der Erde innig verwoben ist. Ich habe in diesem Buch so viel gehighlighted, dass es Seiten brauchen würde, um alles zu teilen. Von der Problemlösungsintelligenz von Pilzen über Zombie-Pilzen bis hin zur Heilung menschlicher Krankheiten und natürlich seltsamen Pilz-Trips. Die Mykologie zeigt uns, dass Pilze eine vielfältige und komplexe Klasse von Organismen sind und dass ohne das empfindliche symbiotische Gleichgewicht zwischen Pilz und Vegetation das Leben auf dem Planeten nicht möglich gewesen wäre. Ohne Pilze kein Wood Wide Web und damit keine pflanzlichen Ökosysteme und damit keine Menschen. So einfach. Ähnlich Pflanzen können Pilze Licht detektieren, Temperaturen wahrnehmen und Nährstoffe, Giftstoffe sowie elektrische Felder identifizieren. Manche Pilze mampfen radioaktives Material, Zigarettenstummel oder bauen schmutzige Windeln ab. Insgesamt gibt es zwischen 2,2 und 3,8 Millionen Pilzarten in der Welt - sechs bis zehnmal so viele wie Pflanzenarten und weniger als 10 Prozent sind davon erforscht. Es ist eine faszinierende unbekannte Welt, die uns noch viel lehren kann. Egal ob in Bereichen der Kommunikation, Kollaboration, Medizin oder Materialwissenschaft. Sheldrake packt all dies und mehr in ein unterhaltendes und lehrreiches Buch, was ich jedem ans Herz legen kann. Pilze sind wahrlich außergewöhnlich. Sie können unsere Welt retten.

★★★★★

Douglas Adams: Last Chance to See

Ich vermisse Douglas Adams. Ich vermisse ihn wirklich. Seine originelle, phantasievolle und humorvolle Art, Bücher zu schreiben, wird unübertroffen bleiben. Obwohl er als Science-Fiction-Autor bekannt wurde und als solcher geführt wird, war er auch ein herausragender Wissenschaftsautor. Dieses Buch ist ein leidenschaftlicher, liebevoller, kritischer Blick auf die menschliche Spezies und unseren Einfluss auf unseren Planeten. Es dokumentiert den Niedergang und den drohenden Verlust einiger wunderbarer Wirbeltiere. Das Buch stellt uns vor die Aufgabe, sich der Zerstörung des Planeten entgegenzustellen, und lässt uns den tragischen Verlust unseres Erbes spüren. Aber Adams deprimiert nie. Er beweist, dass es Hoffnung gibt. Wenn wir unsere Hintern endlich in Bewegung setzen.

★★★★☆

Anselm Oelze: Wallace

Ein spannender Debütroman von Anselm Oelze. Amüsant und unterhaltsam, aber mit einigen technischen Schwächen. Das Buch ist mehr Roman als Sachbuch, dennoch lehrt es viel über die Schwere und Ungerechtigkeit der Geschichte, weswegen ich es hier aufgenommen habe. Jeder kennt Charles Darwin. Viel weniger bekannt ist der britische Naturwissenschaftler Alfred Russel Wallace. Beide entdeckten” etwa zur gleichen Zeit die Evolutionstheorie, aber nur einer von ihnen brannte sich als Ikone der Wissenschaft in das Gedächtnis der Menschheit ein, obwohl der andere die Idee sogar als erster zu Papier brachte: in einem Brief von Wallace an Darwin. Es ist ein Buch über eine faszinierende Persönlichkeit mit einer faszinierenden Biographie, der viel zu wenig Ehre zuteil wurde. Ich bin bestrebt, mehr über ihn zu erfahren.

★★★☆☆

Robert Macfarlane: Underland

Robert Macfarlane ist ein Poet. Ich bin mir nicht sicher, wie ich Underland beschreiben soll. Es ist zum Teil ein Reise-/Abenteuerbuch, aber auch ein Buch über die Natur. Mit viel Einwürfen aus der Biologie, der Geologie, der Geschichte und der Klimawissenschaften. Es ist ein Buch über Bergbau, Höhlenforschung, Grabkammern, das Studium der dunklen Materie, radioaktive Abfälle, das Wood Wide Web, Pariser Katakomben, die mythischen Flüsse der Unterwelt, prähistorische Höhlenmalereien, den Widerstand gegen Ölbohrungen, Grönlands Gletscher und Finnlands Tunnel. Es ist ein Buch über unsere Vergangenheit. Und über unsere Zukunft. Es ist ein Buch voller Leidenschaft. Es weckt ein Verlangen. Die Sehnsucht, nach draußen zu gehen und die Natur zu erforschen. In sie einzutauchen. Buchstäblich.

★★★★★

Robert Iger: The Ride of a Lifetime - Lessons Learned from 15 Years as CEO of the Walt Disney Company

Teilweise Lektionen über die Wirtschaft, teilweise persönlicher Reisebericht und teilweise Betrachtungen aus erster Hand über den Aufstieg des größten Unterhaltungsimperiums der Welt. Bob Iger hat keine schwere und tiefgründige Biographie geschrieben. Im Gegenteil. Er teilt viele nützliche und ehrliche Lektionen über die menschliche Seite des Big Business. Ein weiterer faszinierender Teil des Buches befasst sich damit, wie Iger es schaffte, sich die großen Übernahmen von Disney (Pixar, Marvel, LucasFilm & Fox) zu sichern. Es war nicht das typische Leadership/Führungsbuch, das ich erwartet hatte. Sondern eine erstaunliche Geschichte über Ausdauer, Leidenschaft, Fokus, Vorausdenken und Tatkraft.

★★★★☆

William Zinsser: On Writing Well - The Classic Guide to Writing Nonfiction

Man lernt schreiben, indem man schreibt. Aber Schreiben ist nicht dasselbe wie Schreiben. Um gut schreiben zu können, muss man auf bestimmte Dinge achten. Und On Writing Well gibt handfeste, qualitativ hochwertige Schreibtipps. Das ist das Buch.

★★★★☆

Matt Ridley: How Innovation Works: Serendipity, Energy and the Saving of Time

Innovation ist das meistgenutzte und am meisten missbrauchte Konzept unserer Zeit. Heutzutage muss alles innovativ sein. Und damit ist der Begriff zu einer bloßen leeren Phrase verkommen. Zum Glück gibt es Matt Ridley. Er erklärt die bunte Geschichte der Innovationen und räumt mit einigen gängigen Vorurteilen darüber auf, wie Innovation entsteht: Innovation ist meist das Ergebnis von Teamarbeit, Mitentdeckung, Zufall, schrittweiser Verfeinerung, ziellosem Tüfteln und endlosem Trial-and-Error-Lernen. Er zeigt, dass Innovation in einer freien Gesellschaft besser funktioniert als in geschlossen, in der Innovation ohne Erlaubnis nicht gefördert wird. Man kann mit Innovation nicht planen, aber man kann sie fördern. Um seinen Standpunkte zu belegen, erzählt Ridley viele unterhaltende Anekdoten über die historischen Kämpfe, die Innovatoren und Erfinder ausfochten mussten. Man kann ihn dafür kritisieren, dass seinem Buch eine gewisse Struktur fehlt. Er springt von einer Geschichte zur anderen. Aber — das muss ich zugeben — es funktioniert. Ich hatte eine tolle Zeit mit dem Buch, habe viel gelernt, und habe nun viele Anmerkungen im Buch stehen, über die ich nachdenken muss.

★★★★★

Anna Wiener: Uncanny Valley

Anna Wiener ist eine wahnsinnig gute Beobachterin und schreiben kann sie auch noch. In ihren Memoiren erzählt sie, wie sie ihren eintönigen Job bei einer New Yorker Literaturagentur für eine hoch bezahlte Stelle im Kundensupport eines Silicon Valley-Start-ups aufgab und wie die Begeisterung, die sie anfangs für die Arbeit in der Technologiebranche empfand, nach wiederholten Begegnungen mit dem Sexismus, Rassismus und der Missachtung der Privatsphäre der Benutzer der Szene, bald verflog. Ja. Wiener bietet keine Analyse und die Kritik an Silicon Valleys Privilegien-Kultur ist zwar solide, bietet aber wenig Neues. Ich musste mich aber mehrfach daran erinnern, dass dies nicht ihre Absicht war. Sie erzählt ihre Geschichte. Und mehr. Sie schuf ein Dokument, das die Schwingungen eine bestimmte Zeit und eines bestimmten Ortes äußerst gut einfing. Egal ob Silicon Valley, Berlin, London oder irgendein anderes digitales / Startup-Ökosystem. Wenn man in einem solchen arbeitet und lebt, wird man sich in diesem Buch sehr schnell wiederfinden.

★★★★☆

Lindsey Fitzharris: The Butchering Art - Joseph Lister’s Quest to Transform the Grisly World of Victorian Medicine

Chirurgie im 19. Jahrhundert war hart, blutig, schmerzhaft und fast immer tödlich. Sie war barbarisch. Krankenhäuser waren als Todeshäuser bekannt. Jeder versuchte, sie so weit wie möglich zu vermeiden. Chirurgen wuschen sich nicht die Hände, und auch Werkzeuge, Kleider oder Krankenhausbetten wurden nicht gereinigt. Führten Ärzte eine Autopsie durch, wuschen sie sich nicht danach die Hände und benutzen dieselben Werkzeuge bei Operationen an lebenden Patienten. Das Ergebnis: 90% aller Patienten, die die Operation überlebten, starben in Folge an einer Infektion. Auftritt Joseph Lister. Er widmete sein Leben der Suche nach den Ursachen von Infektionen, die in Krankenhäusern in ganz Großbritannien wüteten. Seine antiseptische Medizin veränderte den Verlauf der Medizingeschichte. Dabei sah er sich einem extrem rigiden Denkstil gegenüber, den er aber niederrang. Und damit rettete er wahrscheinlich Milliarden von Leben. Eine der kurzweiligsten Biographien, die ich je gelesen habe - unterhaltsam, schockierend und tiefgründig.

★★★★★

Mark Manson: Everything is F*cked - A Book About Hope

Im Jahr 2016 veröffentlichte Manson The Subtle Art of Not Giving A F*ck”, ein Buch, das dem allgegenwärtigen Angstgefühl, das das moderne Leben durchdringt, auf brillante Weise eine Gestalt verlieh. Ich habe das Buch geliebt. Die Einfachheit des Konzepts hilft mir auch heute noch. Und ja, es stimmt etwas nicht mit unserer Welt. Wir haben eine Welt der Ablenkungen geschaffen, die die Illusion von Freiheit vermittelt, uns aber in Wirklichkeit gefügig und gefangen hält. Und deswegen fragt sich Manson nun: Gibt es noch Hoffnung? So weit, so gut. Aber diesmal hatte ich meine Probleme mit Mansons allzu vereinfachtem Stil. Das Buch ist eher eine Sammlung von Blog-Einträgen und Essays. Es ist eine Schüssel voll oberflächlich betrachteter klassischer stoischer Philosophie und einfacher Küchenpsychologie, vermischt mit einigen neuen Harari-Anklängen und Meditations- und Mindfulness Vibes. Klar, ein Weg. Aber Manson vereinfacht es zu sehr. Viel zu sehr. Das Thema ist tiefgründiger. Ja, das Buch hatte teilweise lustige Stellen, aber mehr als ein paar interessante Geschichten und Klischees hat es nicht zu bieten.

★★★☆☆

Stefano Mancuso: The Revolutionary Genius of Plants - A New Understanding of Plant Intelligence AND Behavior and Brilliant Green - The Surprising History and Science of Plant Intelligence

Es kommt selten vor. Aber von Zeit zu Zeit begegnen wir Ideen, die uns den Boden unter den Füßen wegziehen. Mir ist es passiert, als ich zu Beginn des Pandemiejahres 2020 zum ersten Mal vom Wood Wide Web”, dem Internet der Bäume”, hörte. Ein paar Monate später vertiefte ich mich in das Thema und stieß auf Stefano Mancuso, einen italienischen Biologen. Mancuso eröffnete mir mit seinen Büchern, dass Pflanzen empfindungsfähig sind. Sie können Licht wahrnehmen, haben einen ausgeprägten Geruchssinn, leben in einer taktilen Welt, reagieren auf Geräusche, kommunizieren mit Hilfe chemischer Signale und schmecken” Gefahren. Es stellt sogar die Hypothese auf, dass Pflanzen eine bestimmte Art von Intelligenz zugeschrieben werden kann. Definiert man Intelligenz als die Fähigkeit Probleme zu lösen, sind Pflanzen intelligent. Pflanzen sind für uns heute so eigentümlich, so merkwürdig anders. Dennoch beherrschen sie das Leben auf der Erde. Unsere Existenz hängt von ihnen ab. Daher ist es seltsam, dass wir sie kaum zu kennen scheinen. Obwohl die Pflanzenwelt etwa 80 Prozent der gesamten Biomasse auf der Erde ausmacht, messen wir der dominantesten und wahrscheinlich erfolgreichsten Gattung der Landorganismen kaum Bedeutung bei. Wir sind geblendet von einer uralten Arroganz, die den Menschen und die Tierwelt begünstigt. Aber das Bild ändert sich. Die aufstrebende Wissenschaft der Pflanzenneurobiologie befasst sich mit der Frage, wie Pflanzen ihre Umwelt wahrnehmen und ganzheitlich auf sie reagieren. Wenn Pflanzen schmecken, hören, fühlen und kommunizieren können, wenn sie ihre Umwelt wahrnehmen und kontinuierlich Informationen verarbeiten können, um sie für lebenswichtige Entscheidungen zu nutzen, was können wir dann heute von ihnen lernen? Es gibt unzählige Möglichkeiten in der Welt der Pflanzen, die wir noch nicht erforscht haben, geschweige denn kennen. Man kann nur raten, wie viele bekannte Unbekannte noch vor uns liegen. Ganz zu schweigen von den unbekannten Unbekannten. Pflanzen werden uns retten. Wir können noch so viel von ihnen lernen.

★★★★★

Alfred Lansing: Endurance - Shackleton’s Incredible Voyage

Was. Für. Eine. Geschichte. 1914 stach Sir Ernest Shackleton mit einer 27-köpfigen Besatzung an Bord eines Schiffes namens Endurance” in den Südatlantik auf. Im Oktober 1915 geriet das Schiff in Eis und die Besatzung - einen halben Kontinent von ihrem geplanten Ziel entfernt - wurde in einer der feindlichsten Regionen der Welt zu Schiffbrüchigen. Shackletons neues Ziel lautete schnell, jeden Mann lebend nach Hause zu bringen. Lansing teilt eine fesselnde und intensive Lektüre über einen Mann und seinen Führungsstil. Shackleton glaubte an seine Mission und an sein Team. Sein Optimismus war ansteckend. Er hatte das Talent, ein klares und geteiltes Missionsziel zu entwickeln. Jeder, der an der Antarktis-Expedition teilnahm, verstand seine Rolle und beschwerte sich nie. Shackleton wusste, wie man Einheit und Engagement innerhalb des Teams aufbaut. Er schätzte harte Arbeit und Loyalität über alles andere. Er förderte sie. Das Wohl seines Teams hatte für ihn oberste Priorität. Es war wichtiger als die Mission. Obwohl sein Plan zerschlagen wurde, war er flexibel genug, um einen neuen Plan zu erstellen. Und einen weiteren. Und noch einen. Er vermied es, sich emotional an einen bestimmten Plan zu binden, egal wie viel Zeit er damit verbracht hatte, ihn zu entwerfen. Und last but not least: Er traf während der gesamten Expedition viele schwierige Entscheidungen. Aber er traf sie mit Blick auf das Team. Wenn wir alle ein wenig von Shackletons Integrität hätten, wäre die Welt ein besserer Ort.

★★★★★

Dan Harris: 10% Happier: How I Tamed the Voice in My Head, Reduced Stress Without Losing My Edge, and Found Self-Help That Actually Works

Ich hörte das Hörbuch bei ausgedehnten Waldspaziergängen während meiner Elternzeit. Sehr passend, wie ich gerade feststellte. Das Buch handelt von Dan Harris. Und Dan Harris ist ein Arschloch. Das sagt er über sich selbst. Mehr als einmal. Ihr kennt diese Art von Leuten. Wer auch immer irgendetwas mit Medien, Beratung oder der digitalen Unternehmensgründungsszene zu tun hat, ist solchen selbstverliebten Menschen schon einmal über den Weg gelaufen. Eine Menge von 10% Happier dreht sich darum, dass Harris versucht, weniger Arschloch zu sein. Seine Rettung: Meditation. Aber das Buch ist zum Glück kein beliebiges Selbsthilfe-Guru-Buch über Meditation und Achtsamkeit, das uns auf unserem Weg zu innerem Frieden und Glück führen möchte. Es ist eine kritische Geschichte über die Entdeckung des eigenen Selbstbildes. Und das hat mir sehr gut gefallen.

★★★★☆

Adam Grant: Originals: How Non-Conformists Move the World

Eine sehr angenehme Lektüre über die Förderung von Kreativität und Erfolg. Das Buch selbst ist nicht per se originell”, denn es arbeitet hauptsächlich mit Beispielen aus der jüngeren Internetgeschichte, persönlichen Anekdoten und manchen wissenschaftlichen Studien. Alles zusammen ist unterhaltsam in ein Narrativ gebracht und in eine einfache Struktur eingebettet. Ich habe durchaus eine ganze Reihe von Dingen gelernt. Für Liebhaber von Malcom Gladwell lohnt sich ein Blick.

★★★☆☆

Steven Levy: Facebook - The Inside Story

Puh. Auf der Habenseite: Eine lesbare Geschichte über den Facebook-Gründer. Wenn man nicht viel über Mark und Facebook weiß und mehr erfahren möchte, ist dieses Buch für Euch geschrieben. Die Schattenseite: Levy verherrlicht die Frühzeit von The Zuck und es bietet nur eine oberflächliche Diskussion zu den Salven der Kritik, denen sich Facebook in den letzten Jahren gegenüber sah - ihren Umgang mit privaten Daten oder der laxe Umgang mit anstachelndem Material und Verschwörungstheorien. Facebook ist eine Waffe. Vergesst das nicht. Am besten lest ihr im Anschluss direkt Mindf*ck”: Cambridge Analytica and the Plot to Break America” von Christopher Wylie.

★★★☆☆

books thoughts
December 3, 2020

Zurück in die Zukunft

The Paper Time Machine by Wolfgang Wild and Jordan LloydThe Paper Time Machine by Wolfgang Wild and Jordan Lloyd

Zurück in die Zukunft. Bereits um 1900 summten mehr als 60.000 E-Wagen durch die USA. In 128 Städten standen tausende Ladestationen. Weder Lärm noch Abgase verdichteten die Luft.

Stromer waren das Schnellste, was Ingenieure wie Porsche auf die Straßen stellen konnten. Camille Jenatzy war der erste, der die magische Schwelle von 100 km/h durchbrach. Strombetrieben, wohlgemerkt.

Benziner galten als qualmende und lärmende Stinker mit Pannenneigung. Sie glänzten nur mit Flexibilität durch Reichweite. Viel Entwicklungsgeist floss deswegen in Elektrofahrzeuge: Vorspannwagen für Kutschen entstanden. Schnellladestationen für Busse wurden entwickelt, genauso wie Zwischenladestationen in Anhängerform. Austauschbare Akku-Module gab es ebenso wie Postwagen, LKWs oder Taxis.

Finanzielle Gründe sorgten letztlich für den Durchbruch des Benziners. Mit dem Ford Modell T kam die Massenfertigung. Ein kurbelloses Auto war einfacher zu bedienen. Zudem kosteten Benziner nur noch ein Bruchteil des Preises für E-Autos mit Reichweitenproblemen. Neue Erdölvorräte sicherte Benzinnachschub und ein Tankstellennetz war zügig gelegt.

120 Jahre später nun das Revival. Mit vielen Entwicklungen, die den Innovationen von damals verblüffend ähneln. (Bild Wild/Lloyd)

Erfindung Elektromobilität E-Auto Mobilität Disruption braucht Zeit Invention
November 30, 2020

Let’s meet in the next metaverse

Pablo Picasso sagte einmal, dass wenn es nur eine einzige Wahrheit gäbe, man nicht hundert Bilder über dasselbe Thema malen könnte.” Über fünfundachtzig furchtbare und leidenschaftliche Jahre widmete er sich diversen Themen in den verschiedensten Medien. Egal ob Form, Farbe, Bild oder Symbole. Er experimentierte mit allerlei Geschichten und Gedanken, einzig getrieben durch seine Vorstellungskraft und schuf damit ein episches Werk aus 20.000 Kunstwerken.

Wäre Picasso heute noch am Leben, wäre er wahrscheinlich fasziniert von dem Werk Parallel Dimensions” des YouTubers Pwnisher, der 125 Computergrafik-Künstler aufrief, dieselbe Szene nach einfachen Vorgaben in ihrem eigenen Stil zu animieren. Entstanden sind 125 bezaubernde Bilder zum selben Thema. Gerne stelle ich mir vor, dass Picasso so die Welt gesehen hat. Eine Version desselben Themas nach der anderen, bis sich ihm die endgültige Fassung offenbarte.

Es braucht nicht viel Phantasie, um sich eine Zukunft vorzustellen, in der Besuche solcher Welten normal sein werden. Auch wenn ich die literarischen Welten meiner Kindheit nicht missen möchte, bin ich durchaus neidisch auf die fantastischen Möglichkeiten, die sich meinen Kindern eröffnet. Picasso würde sicher zustimmen.

Metaverse Gaming Virtual Worlds virtuelle Welten Gamification Post Social Media Virtual Reality portents
November 26, 2020

Wir hängen alle an den gleichen Kabeln

Thomas Edison, Phonographen-Station, 1878, via TwitterThomas Edison, Phonographen-Station, 1878, via Twitter

Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich”. Auch wenn es mittlerweile hinreichend widerlegt worden ist, wird diese humoristische Maxime immer wieder Mark Twain zugeschrieben. Wer auch immer dem Prinzip letztlich zum Ruhm verholfen hat, er oder sie — oder von mir aus auch Twain — hatte Recht.

Wer denkt nicht bei dieser kommunalen Edison-Kopfhörer-Station von 1878 an das Summen eines Cloud Computing Server im Frankfurter Ostend, auf dem eine Metaverse Instanz aus Milliarden von Nullen und Einsen läuft, welche innerhalb Millisekunden tausende Glasfaser- und Kupferkabelkilometer (danke Deutsche Telekom) hinter sich legt, nur um uns alle in einem kollektiven virtuellen Rausch zu vereinen, der uns dank Tentakelkabelnetz und virtueller Brillen auf die Retina projiziert wird?

Seit Edison scheint sich am Grundmodell des Broadcasting und Narrowcasting nicht viel verändert zu haben. Wie vor 142 Jahren, hängen wir auch heute an einem Geflecht aus Kabeln, die an wenigen Orten auf unserem Planeten zusammenlaufen. Ob auf der anderen Seite nun AirPods, Alexas oder andere moderne Endgeräte hängen. Sie sind nichts weiter als modernere kabellose Versionen von Edison-Sprachgeräten. Das Internet hat aus der Welt ein Dorf gemacht.

Internet Infrastructure Techhistory communicationhistory
November 24, 2020

Roche Biochemical Pathways

Roche Biochemical Pathways Part 1 Metabolic PathwaysRoche Biochemical Pathways Part 1 Metabolic Pathways

Biochemical Pathways provide an overview of the chemical reactions of cells in various species and organs. Dr. Michal first compiled the Pathways Chart in 1965 and has been fine-tuning it ever since. Via I should have loved biology.

Systems Biology Chemistry Data Visualization emergence systems thinking
November 24, 2020

Circulatory Systems

emergence city fractal ants art
November 23, 2020

Manchmal kommen die besten Ideen von außerhalb

Teamwork: Wenn Ärzte mit Formel 1 Pitstop-Crews zusammenarbeiten, kann nur etwas gutes herauskommenTeamwork: Wenn Ärzte mit Formel 1 Pitstop-Crews zusammenarbeiten, kann nur etwas gutes herauskommen

Es ist ein seltsamer Gedanke, aber die Lösung für ein Problem könnte jemand kennen, der seinen Lebensunterhalt mit dem Design von elektrischen Zahnbürsten verdient. Oder Roboterfussballer entwickelt. Oder Pflanzenneurobiologie lehrt.

Die Hauptsache ist, dass er oder sie an etwas arbeitet, das dem eigentlichen Problem ähnelt. Denn das Einbringen von verschiedenen Perspektiven aus ungleichen aber irgendwie verwandten Bereichen erweitert den Möglichkeitsraum und führt zu einer Fülle von neuen Ideen. Faustregel: Je größer der Abstand zwischen dem Problem und der frischen Perspektive, desto neuartiger die Lösung.

Ein tolles Beispiel für eine Operationalisierung dieses Gedanken kommt von einem Ärzteteam aus einem Londoner Kinderkrankenhaus. Sie trafen im Jahr 2007 die Formel 1 Boxencrew von Ferrari, weil sie eine Analogie zwischen Boxenstopp und postoperativen Übergabeprozessen in Krankenhäusern erkannten. Nachdem sie dem Formel 1 Team Videos aus dem Krankenhaus zur Verfügung gestellt hatten, überarbeiteten die Mechaniker den Prozess und reduzierten die damit verbundenen Fehler um 66%.

Manchmal muss man aus seinem Netzwerk ausbrechen. Mit genügend Offenheit und schwach gehaltenen Meinungen, lassen sich große Sprünge machen.

Innovation Outliers Originality Creativity Ideas knowledge translation operations excellence
November 16, 2020

Warum funktioniert das zum Teufel nicht?

Steve Jobs bei der Präsentation des iPhones, 2007Steve Jobs bei der Präsentation des iPhones, 2007

Warum funktioniert das nicht? Was muss ich ändern, damit es funktioniert?”

Laut Karl Duncker sind dies die wichtigsten Fragen im Umgang mit Problemen. Einer der diese Denkweise verinnerlicht hatte war — keine Überraschung — Steve Jobs. Als er 2007 das iPhone ankündigte, sagte er:

The most advanced phones are called smart phones. They are definitely a little smarter, but they actually are harder to use. They all have these keyboards that are there whether you need them or not. How do you solve this? We solved it in computers 20 years ago. We solved it with a screen that could display anything. What we’re going to do is get rid of all these buttons and just make a giant screen. We don’t want to carry around a mouse. We’re going to use a stylus. No. You have to get them and put them away, and you lose them. We’re going to use our fingers.”

Das Problem damals: Intelligente Telefone sind schwer zu benutzen, weil fixe Tastatur. Die Lösung: Ein großer Bildschirm plus Zeiger. Problem: Was für ein Zeiger? Lösung: Eine Maus. Problem: Niemand will eine Maus mit sich herumtragen. Lösung: Ein Stift! Problem: Ein Stift kann verloren gehen. Lösung: Warum nicht Finger?

Es ist so einfach, wie genial.

Schnell wurde klar, dass Apple die Dinge anders sah.

Warum ist der Markt selbst nicht auf die Idee gekommen, dass Tastaturen in Smartphones eine dumme Idee sind? Die Antwort ist bekannt: Ihm ging es zu gut. Der dominante Denkstil lautete: Ein gutes Telefon muss gut telefonieren. Smarte Telefone sind Telefone, nur smarter. Und da alle Telefone Knöpfe hatten, haben ergo auch smarte Telefone Knöpfe.

Apple hingegen besaß keine Telefonhistorie und glaubte nicht an das Paradigma. Man sah im Smartphone einen Computer für die Hosentasche, der auch telefonieren konnte. Es war daher für Apple kein Nachteil, noch nie ein Smartphone gebaut zu haben. Im Gegenteil. Es war ein Vorteil, denn Mobiltelefonhersteller hatten noch nie einen Computer gebaut.

Die Moral von der Geschichte: Auch wenn alles rund läuft, sollte man paranoid sein. Selbst wenn alle Kunden happy sind, alles funktioniert und nichts kaputt zu sein scheint, gibt es immer etwas zu verbessern. Selbstgefälligkeit ist unser Feind. Egal ob man irgendwie nach einer neuen Lösung sucht oder versucht ein bisher unbekanntes Problem zu identifizieren. Die Frage Warum funktioniert das nicht?” ist ein guter Start auf der Reise nach neuen Opportunitäten.

Innovation Probleme Inkrementelle Innovation Step by Step
November 12, 2020

Hic sunt dracones

Amundsen’s Südpol ExpeditionAmundsen’s Südpol Expedition

Wenn Innovation unterschiedliche Phasen durchläuft, bedeutet innovativ arbeiten” nicht einen stabilen Zustand optimaler Innovationsleistung zu finden und diesen zu fixieren — was leider häufig verfolgt wird. Vielmehr geht es darum Energie, Zeit und Talent in das Erreichen der verschiedenen Phasen zu stecken, die eine Idee, eine Innovation, eine Organisation oder eine Person durchlebt. Auch wenn es weh tut.

Wir müssen kontinuierlich auf der Suche nach dem nächsten Gleichgewicht sein. Egal ob Organisation, Projektteam oder Individuum. Wollen wir wachsen, müssen wir wandelbar bleiben und uns der Unsicherheit hingeben. Damit meine ich nicht nur das bereits unbequeme Anpassen an VUCA oder BANI Umfelder. Sondern auch das Aufrechterhalten eines unsicheren Momentums in uns selbst, welches uns daran erinnert, dass wir nicht verharren, sondern weiterziehen müssen.

Die große Herausforderung: Das nächste Equilibrium liegt immer in einer ungewissen Zukunft. Aber was uns zunächst als Last erscheint, ist eigentlich eine Freiheit. Unsicherheit schafft Raum für Experimente. Es liegt an uns, diesen Raum zu füllen. Besonders wenn wir kontinuierlich innovative & anpassungsfähige Organisationen aufbauen oder selbst wachsen wollen.

Innovation PST Wardley Innovationszyklus